Zagreb/Graz - Sanader? Die Öffentlichkeit reagierte ungläubig, als der Kongress der HDZ im April 2000 mit einem Sieg des sanften Philologen aus Split zu Ende ging. Die HDZ, gegründet vom strengen Militärhistoriker Franjo Tudjman, war die Partei der autoritären Provinzfürsten, Warlords, Kriegsgewinnler, bestenfalls der "Amigos" , die sich über gute Beziehungen eine große Wohnung oder eine eigene Firma zu sichern verstanden. Sanader hatte dem System als Vize-Außenminister gedient - eine undankbare Rolle, in der er westlichen Diplomaten Affären, Provokationen und hin und wieder ein Kriegsverbrechen erklären musste.

Niemand mochte an das "menschliche Antlitz der HDZ" glauben. Sanader, der Anfang der Neunziger kurz Intendant des Stadttheaters von Split war, sei allenfalls die "menschliche Maske" der Partei, schrieb ein Kommentator. "Sanader ist schwul" , stand an Zagreber Hauswänden. Zu dem angenehmen Gesicht gehörte aber auch ein Kopf - und sogar eine Faust. Schon 2000 setzte er sich in einer Kampfabstimmung gegen den mächtigen Tudjman-Vertrauten Ivic Pasalić durch.

In seinen öffentlichen Reden hat Sanader auf Populismen und Rüpeleien immer verzichtet, auch im Wissen darauf, dass die nationalen Populisten und Rüpel mangels echter Alternative sowieso für ihn stimmen würden. Statt dessen baute er systematisch seine Kontakte zu österreichischen und deutschen Konservativen aus und führte die gerade noch geächtete HDZ in den Kreis der europäischen Volksparteien. In der Szene fühlt er sich am wohlsten. Zuletzt galt er als eher zu mächtig. Ob er einigen zu mächtig wurde oder ob er nur mächtig genug war, sich zurückzuziehen, wird sich zeigen. (Norbert Mappes-Niediek/DER STANDARD, Printausgabe, 2.7.2009)