Die Seite der "Watchgroup gegen sexistische Werbung" zeigt verschiedene sexistische Darstellungen von Männer und Frauen in der Werbung. Oder von Mädchen und Jungen. 

Foto: Homepage Watchgroup

"Die Darstellung eines Mannes, flankiert von zwei Frauen", oder "der Mann ist der Experte, die Frau zieht ihn zu Rate (z.B. 'Hausverstand')". Das sind nur zwei Kriterien dafür, wie sexistische Werbung aussehen kann. Erstellt wurden diese Kriterien in einem umfangreichen Kriterienkatalog für die neue Grazer Plattform "Watchgroup gegen sexistische Werbung", die im Mai online ging. Laut "Watchgroup" fließen über Werbung Botschaften wie folgende in unsere Wahrnehmung ein: "Frau ist gleich Sex, Frau ist gleich Produkt oder Produkt ist gleich Frau, Frau muss schön und erfolgreich sein". Auch über die so genannte "Umkehrregel" klärt die "Watchgroup" auf: "Könnte ein Sujet, welches eine Frau darstellt, mit dem identischen Arrangement auch einen Mann darstellen, ohne irritierend zu wirken?"

Bis es zu bundesgesetzlichen Regelungen kommt, wie es auf der Seite der Watchgroup heißt, möchte diese Initiative von Frauenstadträtin Elke Edlinger in Kooperation mit der unabhängigen Frauenbeauftragten der Stadt Graz, Vertreterinnen des Grazer Frauenrates, des Vereins Thekla und DOKU (Frauendokumentations- und Projektzentrum) die Grazer Werbelandschaft beobachten und "gegebenenfalls Negativbeispiele" aufzeigen. Auf der Seite können auch einschlägige Werbedarstellungen gemeldet werden.

Maggie Jansenberger, unabhängige Frauenbeauftragte der Stadt Graz und Mitinitiatorin der Plattform, sprach mit dieStandard.at über die Haltung von Werbeleuten, die zwar Sexismus offiziell ablehnen, aber dem widersprechende Sujets produzieren, über die Kriterien der "Watchgroup" und über nötige Ausbildungszweige für WerberInnen.

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dieStandard.at: Vor kurzem wurde von den Grünen eine gesetzliche Regelung für sexistische Werbungen angedacht. Muss im Bereich Werbung noch zustätzlich über Gesetze und Initiativen wie die Watchgroup reguliert werden? Ist der Österreichische Werberat nicht ausreichend?

Maggie Jansenberger: Es ist ein Unterschied, ob man ausschließlich ein Selbstregulierungsinstrument hat, wie den Werberat, oder ob es eine gesetzliche Basis gibt. Eine Selbstregulierung beruht mehr oder weniger auf Goodwill oder auf dem "Bauchgefühl" der Zuständigen. Die Kriterien, nach denen der Werberat urteilt, sind aus der Sicht der Watchgroup nicht ausreichend. Auch muss es gesetzliche Regelungen geben, das zeigt den politischen Willen dagegen vorzugehen.

Die Werbelandschaft hat sich verändert. Es gibt zwar diese platten Sexismen schon auch noch, aber mittlerweile sind Sexismen viel subtiler geworden, daher muss man mit anderen Kriterien arbeiten, sonst kommen wir nicht weiter.

dieStandard.at: Ein wichtiger Punkt bei dem Thema ist das Verständnis bzw. die Kenntnis von Werbeleuten. Zwar sprechen sich manche, wie Mariusz Jan Demner, gegen Sexismus in der Werbung aus (Weiterlesen: "Warum-Sexismus-nicht-einfach-verbieten"), andererseits gibt es nicht wenige sexistische Sujets von Demner, Merlicek & Bergmann. Liegen WerberInnen mit ihren Einschätzungen, wo Sexismus anfängt, so daneben oder wird das einfach in Kauf genommen?

Jansenberger: Ich denke, dass es eine Mischung aus beidem ist. Einerseits wissen sie es einfach nicht besser und sehen nicht, was sie da fabrizieren. Das wäre zum Beispiel ein Ansatzpunkt in der Ausbildung von Werbeleuten, dass Gender-Kompetenz Teil der Ausbildung wird. Das Andere ist, dass Sexismus ein Provokationsfaktor ist und es in der Werbung einfach um Aufmerksamkeit geht. Würde man so etwas mit Menschen mit Behinderungen machen, wäre es auch Provokation - aber so etwas würde halt niemandem einfallen.

dieStandard.at: Was die Debatten um sexistische Sujets in der Öffentlichkeit betrifft, wird man oft mit Widersprüchlichkeiten konfrontiert. Einerseits heißt es, es seien "nur" Bilder, andererseits werden diese Bilder produziert um etwas ganz Bestimmtes zu transportierten. Wie sehen Sie das?

Jansenberger: Ja, das ist ein Widerspruch, der immer wieder auftaucht. Wir können aber davon ausgehen, dass diese Werbebilder unsere Einstellungen genauso mit prägen, wie der Sprachgebrauch die Bilder in unseren Köpfen prägt.

dieStandard.at: Der Vorschlag von Judith Schwentner (Frauensprecherin der Grünen), Diskriminierung in der Werbung per Gesetz zu regeln, nimmt stereotype Bilder aus. Ist das eine notwendige Einschränkung, die es bei einer gesetzlichen Regelung geben muss?

Jansenberger: Ich denke nicht, dass für ein Verbot so eine Einschränkung notwendig ist.
Rechte sagen uns ja, was erwünschtes und gebotenes Verhalten einer Gesellschaft ist. Es gibt Gesetze, die auch auf Stereotypien oder geschlechtsspezifische Rollen eingehen. Beispielsweise bei der Definition der Gleichstellung zwischen Männer und Frauen der europäischen Kommission. Da wird ganz klar gesagt, dass Gleichstellung dann gegeben ist, wenn alle Menschen ihre Persönlichkeit und Fähigkeiten frei entwickeln können, ohne durch geschlechterspezifische Rollenzuschreibungen eingeschränkt zu werden. Ebenso kann man das Gleichbehandlungsgesetz bezüglich geschlechtsbezogener Belästigung (GlBG §§6,7,40f) so lesen.

Ich denke, dass es das Bewusstsein über die Wechselwirkung von stereotypen Darstellungen und struktureller Benachteiligung noch eher selten gibt.

dieStandard.at: Der Kriterienkatalog der Watchgroup schließt auch Körpernormen oder die Darstellung von heterosexuellen Paaren ein. Zum Beispiel: "Die Stilisierung der Abhängigkeit der Frau durch Gesten wie 'Einhacken' am Arm" oder "die Assoziation des weiblichen Schönheitsideals mit Schwachheit, Unterlegenheit und Unerfahrenheit". Inwieweit leuchtet jenen, die unfreiwillig mit der Watchgroup in Berührung kommen, diese Kriterien ein?

Jansenberger: Wir sind schon öfter in die Situation gekommen, dass wir genauer erklären mussten, warum etwas nicht in Ordnung ist. Wenn zu der Erklärung bzw. zu den Kriterien aber ein entsprechendes Bild dazu kommt, dann ist relativ schnell klar, was gemeint ist. Was aber noch nicht immer heißt, dass es dann auch Verständnis oder Einsehen gibt.

dieStandard.at: Verschafft man gewissen Agenturen bzw. Sujets nicht noch eine zusätzliche Öffentlichkeit durch Initiativen wie die Watchgroup?

Jansenberger: Das Argument könnte man immer, wenn Ungerechtigkeiten aufgezeigt werden, anführen. Benennen muss möglich sein, verschweigen und wegschauen verändert selten zum Besseren und eine öffentliche Debatte zeichnet wohl eine Demokratie aus.

dieStandard.at: Wie ist es zur Watchgroup gekommen?

Jansenberger: Die Firma "Ankünder", die für Videowalls, Plakatwände, Infoscreens usw. zuständig ist, ist eine 100-Prozent-Tochter der Stadt Graz, also somit Eigentum der Stadt. Unseres Erachtens hat so eine Firma auch andere Aufgaben als nur Cash Cow zu sein, die Stadt als Eigentümerin trägt für das Stadtbild Verantwortung. Die Firma Ankünder hat aber nicht nur einmal sexistische Werbung im öffentlichen Raum von Graz platziert. Wir hatten dann Gespräche mit den Geschäftsführern und dem zuständigen Stadtrat. Derzeit sind wir in Verhandlungen wegen einer Änderung der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Auf Werbeflächen der Stadt sollte keine sexistische Werbung vorkommen dürfen. Ähnliches fordern wir für alle Töchterunternehmen der Stadt Graz. (Die Fragen stellte Beate Hausbichler, dieStandard.at, 1.7.2009)