Wien - Der Vizechef der österreichische Ärztekammer, Günther Wawrovsky, zeigte sich nach Finanzminister Josef Prölls Kritik am Kassensanierungsgespräch im Gespräch mit derStandard.at empört über desse Kommunikationsstrategie: "Es ist eigenartig so an die Öffentlichkeit zu gehen. Pröll schafft damit bei Patienten wie Ärzten Verunsicherungen. Hier gibt es einen politischen Hintergrund. Ich plädiere dafür das nicht öffentlich zu diskutieren", so Wawrovsky.

Die Ärztekammer war seinen Angaben nach nur an der Erarbeitung des inhaltlichen Teils des übergebenen Papiers beteiligt, die finanzielle Berechnung erfolgte vom Hauptverband. "Ich kenne das gesamte Paket auch nicht", so Wawrovsky. Einer erneuten Verhandlung steht Wawrovsky ablehnend gegenüber: "Ich habe nicht vor nochmal anzufangen, nur weil dem Finanzminister etwas nicht gefällt." Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) will sich kommenden Freitag mit Vertretern des Hauptverbandes und der Ärztekammer treffen, um über mögliche Lösungen zu beraten.

Achitz: "Nicht für politische Machtspiele geeignet"

"Finanzminister Josef Pröll soll das Geld, das bereits für die Entschuldung der Krankenkassen beschlossen und budgetiert wurde, nicht blockieren, sondern lieber die Selbstverwaltung in Ruhe arbeiten lassen", sagte Bernhard Achitz, Leitender Sekretär im ÖGB und Vizepräsident des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, am ÖGB-Bundeskongress als Reaktion auf Prölls Ablehnung des Kassensanierungspakets.

Der Vorwurf, dass von Seite der Versicherungsträger zu wenig ausgabenseitige Maßnahmen vorgeschlagen worden seien, sei unhaltbar. "Auch Pröll sollte klar sein, dass unser Gesundheitssystem nicht für politische Machtspiele geeignet ist. Dafür ist es wirklich zu wichtig", sagte Achitz.

Ärztekammer "erstaunt" über Prölls Absage

Ärztekammer-Präsident Walter Dorner ist "erstaunt" darüber, dass Finanzminister Pröll kein grünes Licht für das Krankenkassen-Sanierungspaket gegeben hat. Das aktuelle Paket beinhalte wesentliche Weichenstellungen für die Zukunft, hieß es in einer Aussendung. Es sei "unmöglich", innerhalb weniger Monate mit einem einzigen Reformkonzept die "Fehler der vergangenen Jahrzehnte" komplett beheben zu können.

Für Dorner, der das Paket mitverhandelt hat, ist es "mehr als befremdlich, wenn nach monatelangen und intensiven Verhandlungen, bei denen beide Partner an ihre Grenzen gegangen sind, nun ein kategorisches 'Njet' seitens der Bundesregierung folgt". Die von Pröll geforderten "Nachbesserungen" sind für den Ärztekammer-Präsident ein "Auftrag", den er "so einmal zur Kenntnis" nehme.

Schieder sieht keinen Grund für Blockade 

Finanzstaatssekretär Andreas Schieder sieht bei der Kassensanierung "keinen Grund zur Blockade" und beurteilt im Gegensatz zu Finanzminister Pröll das Sanierungspaket "vorsichtig positiv". Er plädierte im Gespräch mit der APA am Mittwoch dafür, den begonnenen Prozess nicht abzubrechen. Nachbesserungen und Detailanalysen seien natürlich möglich, nun müsste aber der begonnene Weg fortgesetzt werden, sagte Schieder in Reaktion auf Pröll, der das Paket für nicht ausreichend befunden hat.

Öllinger: "Pröll lässt Patienten im Regen stehen"

"Der Finanzminister treibt ein Spiel mit der Gesundheit der Bürger", kritisiert Karl Öllinger, Sozialsprecher der Grünen. "Jahrelang haben sich ÖVP und FPÖ/BZÖ zur Finanzierung ihrer politischen Ziele aus den Töpfen des Gesundheitssystems bedient. Nun, wo die Krankenkassen finanziell nicht mehr weiterkönnen, zeigt ihnen Pröll die kalte Schulter."

Kickl: Regierungshickhack nicht auf Rücken der Patienten austragen

"Der eine drückt aufs Gas, der andere zieht die Bremse" - So kommentierten FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein und FPÖ-Sozialsprecher Herbert Kickl die Ablehnung des Kassensanierungspakets durch Pröll. In Wahrheit würden sowohl ÖVP als auch SPÖ das Paket ablehnen, um der jeweils eigenen Klientel nicht auf die Zehen zu steigen, schreiben die beiden. (red/APA)