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Eine Anhängerin des konservativen Premiers Sali Berisha feiert während einer Autofahrt im Herzen Tiranas.

Foto: EPA/VALDRIN XHEMAJ

Wien/Tirana - Nach jüngstem Stand kommen die Demokraten von Ministerpräsident Sali Berisha bei den Parlamentswahlen von Sonntag auf 69 der 140 Parlamentssitze - gemeinsam mit verbündeten Kleinparteien auf 71. Das wäre eine knappe absolute Mehrheit, die sich auf einen Abgeordneten stützt. Die Sozialisten des Bürgermeisters von Tirana, Edi Rama, kommen mit ihren Bündnispartnern auf 65 Mandate. Gemeinsam mit der Sozialistischen Integrationsbewegung (LSI) hätte Mitte-links dann zusammengenommen 69 Mandate. Zu wenig für einen Wechsel. Berisha dürfte also Premier bleiben.

Einen „Diktator" musste er sich nennen lassen, oder wenigstens einen Autokraten. Vor zwölf Jahren erhob sich das halbe Volk gegen ihn, wütende Demonstranten fingen Straßenhunde ein, hängten ihnen Pappschilder mit dem Namen Berisha um den Hals und schlugen sie tot.

Wer dem angeblichen Balkan-Despoten live begegnet, will es nicht glauben. Ein rückhaltlos offener Blick, eine klare Sprache: Es ist schwer, den Mann nicht zu mögen. Immer leicht unter Strom, wendet der große, kräftige 64-Jährige sich jedem Besucher ganz zu. Drumherum reden kann er gar nicht. Dabei hat Sali Berisha immer furchtbar viel zu tun. Immer gibt es etwas zu erklären, immer ist alles wichtig, wovon auch der meist rote Kopf und die oft heisere Stimme Zeugnis ablegen. Richtig mitfühlen kann man mit Sali Berisha erst, wenn man auf seine Freunde zu sprechen kommt. Denn der sympathische Mann wird leider immer wieder tief enttäuscht. „Du auch?", fragt sein Blick, „wirst du mich auch verraten?"

Liebe und Hass, Vertrauen und Enttäuschung, Treue und Verrat - das sind die Kategorien im Weltbild des wohl auch künftigen Regierungschefs. Diplomaten und sogar Staatsmänner aus ganz Europa sind für seine Faszination empfänglich.

Unterstützung des Westens

Als seine erste Regierungsperiode 1997 in Chaos, Gewalt und Korruption versank, hielten die Kollegen im Westen ihm lange die Stange. Acht Jahre später, nach seinem erneuten Wahlsieg, schaffte er es, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Er hat sich gezügelt, wollte keinen enttäuschen - auch seine westlichen Kritiker nicht. Er wird sich weiter bemühen.
Bei der Gründung der „Demokratischen Partei" im Februar 1991 wurde Berisha ihr erster Vorsitzender, im Jahr darauf nach gewonnener Wahl Staatspräsident.

Als Präsident erwies Berisha sich weiter als charmant, aber auch als beratungsresistent und nachtragend. Den Oppositionsführer ließ er ins Gefängnis werfen, seine Anhänger tyrannisierten überall im Lande Kritiker, und wer zu laut wurde, riskierte die Begegnung mit einer „demokratischen" Schlägerbande. 1997 bedurfte es monatelanger Unruhen, um Berisha endlich zum Rücktritt zu bewegen.

In seiner zweiten Amtszeit zeigte er sich lernfähig: Die autoritären Eskapaden wiederholten sich nicht, Berisha blieb auf Europakurs. Obwohl persönlich ehrlich, schaffte er es nicht, die Familie ganz aus dem Dickicht der Freundschaften und Vorteilsnahmen herauszuhalten. Hartes Durchgreifen gegen die Neureichen und ihre wilden Bauten, vor allem an der Küste, wird man von seiner Partei nicht erwarten dürfen. Und dass es im Innern des starken Mannes weiter brodelt, ist für niemanden zu übersehen. (Norbert Mappes-Niediek, DER STANDARD. Printausgabe, 1.7.2009)