Ob man jetzt über einen Rahmen mit zwei Rädern oder über ein Ross mit vier Beinen dem Boden verbunden ist, macht in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr viel Unterschied. "Erlaubt ist, was nicht gefunden wird." Diese Einstellung, sagte der viermalige Olympiasieger Ludger Beerbaum, habe er lange gehabt, sie wird wohl von vielen seiner Kolleginnen und Kollegen in den diversen Sparten geteilt, von denen die Springreiterei und die Dressur am populärsten sind. Beerbaum, nicht überführt, muss in Nationenpreisen zusehen, der fünfmaligen Dressur-Olympiasiegerin Isabell Werth, deren Ross einen positiven Test ablieferte, droht eine zweijährige Sperre.

Auch den Reitern könnten TV-Sender und Sponsoren abhandenkommen. Jenes große Turnier, das heute in Aachen beginnt, wird wohl ebenso überleben wie die Tour de France. Es sind die kleinen Veranstalter, die zuerst aus dem Sattel gehoben werden. Beide Sportarten haben ihr Schlamassel mit Blauäugigkeit und schwammigen Regeln beinah schon mutwillig selbst herbeigeführt. In den Ställen und auf den Turnierplätzen treiben sich nicht nur angesehene Tierärzte, sondern auch Scharlatane herum. Sie prahlen, einem Ross über jedes Wehwehchen hinweghelfen zu können, und sind stets auf der Suche nach prominenten Kunden, um ihre Visitenkarte aufzupolieren. Ein anderer Sportler muss nur auf sich selbst schauen, der Reiter trägt auch für einen Partner die Verantwortung. Doch in den Ställen und auf den Plätzen ist allzu oft nur vom "Pferdematerial" die Rede. (Fritz Neumann, DER STANDARD Printausgabe 30.06.2009)