Ernst Molden (links) und Willi Resetarits veröffentlichen am 10. Juli die CD "Ohne Di" . Resetarits im Interview: "Dann habe ich mich ein bisschen in ihn verliebt. Und er sich ein wenig in mich."

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Willi Resetarits im Gespräch über Wienerlieder von den Rändern der Stadt.

Wien – Manchmal ist alles ganz einfach. Es dauert nur etwas länger, bis es dann passt. Willi Resetarits im Gespräch mit dem Standard: "Beobachtet und einander geschätzt haben wir uns ja schon länger. Aber eines Tages hat mich der Ernst Molden angerufen und gefragt, ob er für mich etwas tun könne. Dann habe ich mich ein bisschen in ihn verliebt. Und er sich ein wenig in mich. Entstanden ist daraus schließlich das Lied Hammerschmidgossn."

Molden, der 42-jährige Wiener Songwriter, und der 60-jährige Resetarits, the artist formerly known as Ostbahn-Kurti, haben sich nach dieser ersten, bereits heute als moderner Klassiker des Wienerlieds geltenden Zusammenarbeit aus dem Jahr 2008 nun auf dem am 10. Juli erscheinenden Album Ohne Di zwar nicht dringend gesucht. Dass sie sich gefunden haben, ist allerdings ein Glücksfall.

Immerhin gilt Ernst Molden mit Soloarbeiten wie Bubenlieder oder Haus Des Meeres und Wien seit Jahren als ebenso unbeirrbarer wie inniger Verfechter einer originär wienerischen Form des Songwritings. Diese beruht sehr wohl auch und oft auf althergebrachten Klischees bezüglich der Bundeshauptstadt. An Gitarren und mit sonorem Sprechgesang begnügt sich Ernst Molden trotzdem nicht mit längst abgelebten "Blue Notes" aus dem Gemeindebau.

Molden sucht, nach Anfängen im Journalismus und als literarischer Chronist von Wiens imaginären gesellschaftlichen und geografischen Randzonen, im Sinne älterer Kollegen wie Roland Neuwirth oder Karl Hodina längst nicht mehr nach Interaktion zwischen vorstädtischem Lokalkolorit und als international empfundenen Tönen. Dagegen spricht ja wohl auch eine mit gut 50 Jahren nicht mehr ganz taufrische Geschichte des Rock 'n' Roll.

"In de Beag is finsta"

Aktuelle Lieder wie Hansldeich, Bahnhof oder De Blia und vor allem der große Song De Beag erzählen neben typisch schattseitigen und morbiden kleinen Geschichten aus dem Leben einfacher Menschen in schwierigen Zeiten auch davon: Beiderseitiger Gesang und schrill bis hart geschlagene Gitarre im Verein mit dem Akkordeon von Walter Soyka und dem Bass von Hannes Wirth, der sonst bei den jungen Folkrockern A Life A Song A Cigarette beschäftigt ist, erden die ganze Sache in einem Bereich, der speziell junge Menschen interessieren könnte. Weit weg von den Austropop-Formalismen, die den Weg des Willi Resetarits über die Jahre begleiteten, fand der Volksheld eine zeitgenössische Plattform für seine Aneignung fremden Liedguts.

Resetarits: "Die Stücke stammen zwar von Ernst Molden, aber ich verleibe mir die Lieder ein. Wichtig dabei ist, dass diese ein Geheimnis bewahren. Damit sie funktionieren, müssen sie mehrdeutig bleiben. Das sieht man bei De Beag: "In de Beag is finsta / Auf de Beag stengan Baam / In de Beag wohnan d'Noan / Aus de Beag mecht i haam." Das kann man einerseits als Absage an die heimische Mentalität lesen. Andererseits geht es schlicht auch darum, dass das Leben auf den Wiener Hausbergen Bisamberg, Kahlenberg und Nussberg physisch gefährlich werden kann. Absturzgefahr!

Stilistisch geschult ist das Album Ohne Di an Heurigenmusik ebenso wie an Tom Waits oder Element of Crime – sowie am klassischen Rock der US-Schule der frühen 1970er-Jahre. Dokumentiert wird dies etwa in der an Lynyrd Skynyrds Sweet Home Alabama angelehnten Paraphrase Bahnhof: "Aum Bahnhof um Mitternochd oda hoib aans / Mochd da Ali mia no an Iskenda / Dawäu i eam iss sogd ea a Eadbem vuraus / Wos es Zentrum drifft und a de Renda."

Subjektive Wahrheiten, gelassen erzählt. Und gelassen auf den Punkt gebracht.

Seit Willi Resetarits als Ostbahn-Kurti und zuletzt Dr. Kurt Ostbahn in Pension gegangen ist, wurde die Arbeit übrigens mehr. Vor wenigen Wochen veröffentlichte er mit seiner neuen Stammband Stubnblues im Eigenverlag mit No So Vü neben eigenen altersgelassenen Songs auch Bearbeitungen von Gedichten H. C. Artmanns. Und mit Tini Kainrath und dem Streichquartett Stringfizz liegen von ihm jetzt auch wienerische George-Gershwin-Bearbeitungen vor: I Got Rhythm – Wosbrauchimea?( Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe, 30.06.2009)