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Irans Ex-Präsident Banisadr über das Dilemma der Oppositionsführer Moussavi und Karroubi: "Sie gehören dem Regime seit Jahren an, bekämpfen es aber bei der Wahl. Wie soll so jemand vom Volk fordern, weiter Widerstand zu leisten?"

Foto: Reuters

Nach zwei Wochen heftiger Proteste werden die Demonstrationen auf Irans Straßen nun kleiner. Das Regime hat sich mittels eines massiven Aufgebots an Sicherheitskräften und strenger Zensur der Medien und des Internets Ruhe verschafft. Der 1981 gestürzte iranische Präsident Abolhassan Banisadr sieht aber auch Fehler der Oppositionsbewegung, die zum Verstummen der Proteste geführt haben. Im Interview mit derStandard.at erklärt er, warum er eine Systemänderung von Innen für unmöglich hält.

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derStandard.at: Sie mussten 1981 ins Pariser Exil gehen. Droht auch Protestführer Mir-Hussein Moussavi früher oder später dieses Schicksal?

Abolhassan Banisadr: Die regimetreuen Zeitungen attackieren Moussavi seit Wochen. Einmal war zu lesen, dass ihm, wenn er so weitermacht, das gleiche Schicksal wie Banisadr drohe. Bis heute jedenfalls leistet er aber weiter Widerstand gegen das Wahlergebnis und fordert eine Annullierung. Ich bin davon überzeugt, dass das Regime die Probleme so wie in der Vergangenheit mit Gewalt zu lösen versucht. Es begann ja schon mit Verhaftungen und Folter und der Behauptung, die Demonstranten seien ausländische Agenten, die eine "samtene Revolution" wie in der Ukraine und in Georgien anstrebten. Moussavi wird sich entscheiden müssen, ob er zum Schweigen zurückkehrt so wie in den vergangenen dreißig Jahren oder ob er seinen Widerstand fortführt, mit allen Konsequenzen.

derStandard.at: Die Proteste gegen die umstrittene Wahl sind in den vergangenen Tagen merklich zurückgegangen. Liegt das an den verstärkten Repressionen oder ist die Moussavi-Bewegung doch zu schwach?

Abolhassan Banisadr: Das hat meiner Ansicht nach zwei Gründe. Zum Einen geht die Regierung in der Unterdrückung der Demonstrationen mit großer Härte und Brutalität vor. Das Regime hat es geschafft, den Motor dieser Bewegung, also die Studenten und die mehr oder weniger vom Regime abhängigen Reformpolitiker, durch Verhaftungen zu neutralisieren. Und der zweite Grund liegt in der doppeldeutigen Position von Moussavi und Karroubi (den beiden Kandidaten der Opposition, Anm.). Sie gehören dem Regime seit Jahren an, bekämpfen es aber bei der Wahl. Wie soll so jemand vom Volk fordern, weiter Widerstand zu leisten? Viele Iraner, die der Regierung eigentlich kritisch gegenüber stehen, wollen sich nicht länger für den Machtkampf zwischen den beiden Clans opfern.

derStandard.at: Es braucht also eine Symbolfigur, die bisher nicht in das Regime integriert war?

Abolhassan Banisadr: Viele hatten bis zu dieser Wahl gedacht, dass eine Reform des Systems von Innen möglich wäre. In der Realität sind Reformen, die dem Führungsanspruch des Regimes entgegenlaufen, nicht möglich. Um das Regime zu verändern, braucht es eine Alternative zum System. Dass es sich durch eine Wahl ändern lässt, war eine Wunschvorstellung.

derStandard.at: Das Regime hat es geschafft, Medien und Internet weitgehend unter Kontrolle zu bringen. Kann es den Zensuraufwand länger aufrecht erhalten?

Abolhassan Banisadr: Das Regime wird sich Mühe geben, aber es gibt ja, wie Sie wissen, technische Mittel, die Zensur zu umgehen. Für die Protestbewegung geht es darum, weiter das Ausland über die Situation im Iran zu informieren und vom Ausland Informationen zu erhalten. Zum Beispiel wurden Bilder der Demonstrationen am Sonntag sofort nach außen weitergeleitet. Und auf Dauer wird das Regime die strenge Zensur nicht durchhalten können.

derStandard.at: Welche Rolle spielt in Ihren Augen Hashemi Rafsanjani?

Abolhassan Banisadr: Rafsanjani hat lange Zeit nichts zur aktuellen Situation gesagt und ihm wurden alle möglichen Rollen zugeschrieben. In Wahrheit liegt alle Macht in Händen Chameneis (Revolutionsführer, Anm.) und Rafsanjani ist nicht in der Position große Dinge zu verkünden. Deshalb hat er sich für leeres Gerede entschieden.

derStandard.at: Steht er tatsächlich auf Seiten der Protestbewegung?

Abolhassan Banisadr: Man muss wissen, dass dieses System auch wegen Rafsanjani besteht, er war nach dem Staatsstreich gegen mich der zweite Mann im Staat und hat Chamenei zum Führer gemacht. Jetzt zwingt ihn das Regime dazu sich zu entscheiden, entweder er akzeptiert eine Loyalitätserklärung gegenüber dem Regime, oder er und seine Familie werden bestraft.

derStandard.at: Von außen betrachtet scheinen sich die Proteste auf die Großstädte zu beschränken. Hat Moussavi auch auf dem Land Rückhalt?

Abolhassan Banisadr: Im Norden und im zentralen Teil des Iran verhält es sich am Land wie auch in den Städten, wo ein großes politisches Bewusstsein herrscht. In entfernten Ecken des Landes ist das natürlich anders, aber die bestimmende Rolle in der Politik des Landes spielen heute aber die Städte, wo ein Großteil der Bevölkerung lebt.

derStandard.at: US-Präsident Obama wurde für seine angeblich zu späte Reaktion auf die Ereignisse im Iran kritisiert. Was können die USA und Europa tun, um die Lage nicht eskalieren zu lassen?

Abolhassan Banisadr: Die Kritik an Obama kam ja vor allem von den Republikanern, oder besser von den Neocons, die die gleiche Politik weiterführen wollen, die Bush gemacht hat. Das Resultat dieser Politik kennen wir von den Kriegen im Irak und in Afghanistan. Sie hat aber auch zu einer politischen Lähmung im Iran geführt. In den acht Jahren der Bush-Regierung hat es im Iran keinerlei Bewegung gegeben, weil er immer von außen militärisch und wirtschaftlich bedroht wurde. Und Obama kann auch nicht viel tun, weil jede Einmischung vom Regime sofort propagandistisch ausgenutzt würde. Mit Europa verhält es sich genauso. (Florian Niederndorfer, derStandard.at, 29.6.2009)