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Einst fiel Isabell Werth mit Olympiasiegen positiv auf.

AP Photo/Jae C. Hong

Aachen - "Es ist erschütternd." Victoria Max-Theurer, Österreichs beste Dressurreiterin, meint im Allgemeinen das Dopinggerede, in das der Pferdesport geriet, und im Speziellen den Fall ihrer deutschen Berufskollegin, der fünfmaligen Olympiasiegerin Isabell Werth. Deren Fuchswallach Whisper wurde positiv getestet, nachdem ihm der in Fachkreisen schon zuvor nicht unumstrittene Tierarzt Hans Stihl (70) gegen die Zitterkrankheit das Mittel Modecate mit dem für Tiere nicht zugelassenen Wirkstoff Fluphenazin verabreicht hatte, ein Psychopharmakon für schwer gestörte Menschen.

Ein Pferd mit Zitterkrankheit hat Gleichgewichtsstörungen, wenn es beim Beschlagen oder Putzen längere Zeit auf drei Beinen stehen muss. Die Krankheit bewirkt wegen der unkontrollierten Ausfallschritte eine Verletzungsgefahr für Schmied, Pfleger oder Reiter. Werth sagt, sie hätte "mehr Informationen über das Medikament einholen müssen" und dass ihr "Leben in Scherben liegt". Ihr droht eine zweijährige Sperre, wie dem englischen Springreiter Michael Whitaker, dessen Ross Tackeray ebenfalls Positives abgeliefert hat. Irlands Springreiter Cameron Hanley, der bei einem Turnier eine Tasche samt benutzter Spritze liegenließ, sagte von sich aus für das CHIO in Aachen ab.

Max-Theurer, Tochter der 1980er-Olympiasiegerin Elisabeth, hat vor allem den Fall Werth nicht fassen können. "Ich war wie vom Blitz getroffen. Sie ist ja nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen." Es gelte zweierlei festzuhalten. Erstens: "Es ist nichts zu entschuldigen, was unerlaubt die Leistung eines Pferdes steigern soll." Zweitens: "Es ist drastisch, was alles verboten ist und wie vorsichtig man sein muss." Das betreffe etwa schon einige Gelsensprays, freilich natürlich nicht jenes Mittel, das Werths Whisper nicht so rasch abbauen konnte, wie Doktor Stihl berechnet hatte. Max-Theurer kennt Stihl nicht, vertraut ihrer eigenen Tierärztin (Uschi Barth), ist "übervorsichtig und wird immer vorsichtiger".

"Nicht sehr glücklich" war für Max-Theurer eine Äußerung Ludger Beerbaums, des viermaligen Olympiasiegers im Springreiten. Er sagte, er hatte "in der Vergangenheit die Haltung: Erlaubt ist, was nicht gefunden wird". Max-Theurer: "Viele Menschen reiten einfach gerne und wollen nur das Beste für ihre Pferde." Die Salzburgerin selbst, nach ihrem 27. Olympiaplatz heuer bereits mehrmals im Spitzenfeld, sieht sich freilich in einer "glücklichen Situation", sie ist gut situiert und also nicht auf Preisgelder oder Pferdeverkäufe angewiesen. "Wenn bei dem Pferd, mit dem ich antreten will, nur eine Kleinigkeit nicht passt, trete ich mit diesem Pferd nicht an." Ihre Rösser seien "Sportpartner", zu denen sie "ein freundschaftliches Verhältnis" pflege.

Deutsche Medien vergleichen den Pferde- mit dem Radsport, und Aachens CHIO-Geschäftsführer Michael Mronz kommt tatsächlich wie ein Radfunktionär daher, beklagt nicht die Dopingfälle, sondern lobt die strengen Richtlinien. "So schlimm der Fall Werth für den Reitsport war, so gut ist er für die neuen Regeln", sagt Mronz. "Wir müssen diesen Weg weiterverfolgen. Nur so haben wir eine Chance auf sauberen Sport." Aachen kündigt verschärfte Anti-Doping-Maßnahmen an. Jedes achte Pferd wird kontrolliert, die Beine der Tiere werden per Thermografie-Kamera auf unerlaubte Scharfmacher untersucht. Und jetzt wollen die deutschen Springreiter auch jede Medikation dokumentieren und mit dem Teamtierarzt abstimmen. Erst jetzt. (Fritz Neumann, DER STANDARD Printausgabe 30.06.2009)