Bern - Nach langwierigen politischen und juristischen Streitereien ist am Samstag in der Schweiz ein rund vier Meter hohes, umstrittenes Minarett eingeweiht worden. Misstöne blieben bei der Feier nicht aus. Zugleich ortet die "NZZ am Sonntag" Minarette zunehmend als "feministische Kampfzone".

Monatelange Diskussion

Seit langem bewegt die Debatte um die islamischen Gebetstürme die Schweiz. Auslöser dafür war just der nun eingeweihte symbolische Turm auf dem Gebetshaus des Türkisch-kulturellen Vereins in Wangen bei Olten im Kanton Solothurn. Das Minarett werde den "Dialog und den gegenseitigen Respekt fördern", sagte Mustafa Karahan, Präsident des Vereins, nun bei der Einweihung.

Kritik an Präsenz der "grauen Wölfe"

Ohne Störgeräusche ging die Zeremonie indes nicht über die Bühne. Verantwortlich dafür waren nicht die MinarettgegnerInnen aus dem rechtsbürgerlichen Lager, sondern ein Stück Stoff. Wegen einer vor dem Gebäude aufgehängten Fahne mit der Symbolik der "grauen Wölfe" blieb etwa Albert Weibel, Integrationsdelegierter des Kantons Solothurn, dem Anlass fern.

Er bemängelte, dass der Verein nicht bereit gewesen sei, die Fahne als "Zeichen des gegenseitigen Respektes" einzurollen. Die Mitglieder einer rechtsextremen, nationalistischen türkischen Partei nennen sich "graue Wölfe". Geschwänzt haben die Feier auch eingeladene PolitikerInnen von Bund, Kanton und der Gemeinde.

Anti-Minarett-Initiative strebt Bauverbot an

Immer wieder ecken auch Exponenten aus dem rechtskonservativen Lager und der Eidgenössischen Demokratischen Union (EDU) an, die mit der so genannten Anti-Minarett-Initiative ein in der Verfassung verankertes Bauverbot erwirken wollen. Die SVP-Frauen, die Frauenorganisation der Volkspartei, erntet Kritik dafür, dass sie ihren Kampf gegen die Minarette auch im Namen der Musliminnen führen.

SVP-Nationalrätin Jasmin Hutter sagte bei der Lancierung der Initiative im Frühling 2007, Minarette seien keine religiösen Symbole, sondern Zeichen eines politischen Machtanspruches. Sie will auch aktiv gegen die "Unterdrückung von islamischen Frauen in der Schweiz" vorgehen. Dieses Argument fällt anderswo durch: Von "nicht glaubwürdig" bis zu "dreist und lächerlich" lauten die Reaktionen anderer Frauenparteien darauf.

Hintergrund ist, dass die SVP generell nicht mit Frauenfreundlichkeit glänzt. So opponieren die Parteifrauen gegen staatliche Unterstützung in der Kinderbetreuung und ließen zum Frauentag 2007 verlauten, "Frau Sein" sei für sie kein politisches Programm, zählt das Blatt auf.

Konflikt um Frauenagenden

SP-Frauen-Co-Präsidentin Julia Gerber Rüegg (Sozialdemokratinnen) brachte es folgendermaßen auf den Punkt: Wenn sich die SVP-Frauen auf dem Terrain der Gleichstellung profilieren wollen, sollten sie sich von der kürzlich eingereichten Motion ihres Parteikollegen Peter Föhn (SVP) distanzieren. Dieser fordert nicht zuletzt aus finanziellen Überlegungen, Frauen sollten Abtreibungen ohne medizinischen Grund wieder selber berappen. Seit einigen Jahren sind die Kosten von Schwangerschaftsabbrüchen Teil der Krankenversicherungsleistungen.

"Der Zweck heiligt die Mittel"

Auch Saida Keller-Messahli vom Forum für einen fortschrittlichen Islam übt harsche Kritik. Einige SVP-Leute würden ausnahmsweise eine Lanze für die Frauen brechen nach dem unethischen Prinzip "Der Zweck heiligt die Mittel", sagte sie gegenüber der "NZZ am Sonntag". Sie doppelte nach: SVP-Frauen täten sich besonders hervor, wenn es darum gehe, sich unterwürfig zu verhalten.

Das Schweizer Parlament hat jüngst klar festgehalten, dass es - wie auch die Regierung (Bundesrat) - die Anti-Minarett-Initiative dem Volk zur Ablehnung empfiehlt. Frühestens im November wird diese Vorlage nach Angaben des Schweizer Fernsehens den Stimmbürgern zur Abstimmung vorgelegt.

Eine repräsentative Umfrage des Instituts Isopublique ergab im April, dass 49 Prozent der Eidgenossen die Initiative ablehnen würden und lediglich 37 Prozent dafür sind. In der Schweiz gibt es bislang vier Minarette: Neben Wangen finden sich Gebetstürme in Genf, Zürich und Winterthur. In Langenthal (Kanton Bern) ist ein Gesuch hängig. (APA)