Tokio - Die japanische Industrie hat im Mai von den weltweiten Konjunkturprogrammen profitiert und ihre Produktion kräftig gesteigert. Vor allem bei Autoherstellern und Elektronikkonzernen liefen die Bänder auf Hochtouren, gestützt durch Abwrackprämien und andere staatliche Kaufanreize. Verglichen mit April stellte die Industrie 5,9 Prozent mehr her, wie das zuständige Ministerium am Montag mitteilte. Damit holten die Firmen aber nur einen Teil der Verluste der vergangenen Monate wieder auf: Binnen Jahresfrist brach die Produktion um 29,5 Prozent ein und damit kaum geringer als im April.

Experten befürchten zudem weitere Rückschläge: "Die Produktion ist seit Februar stark gestiegen, weil die Unternehmen ihre Lager wieder auffüllen, die sie im vergangenen Jahr zu stark geleert hatten", sagte Junko Nishioka, Chefvolkswirtin für Japan bei RBS Securities. "Die Nachfrage ist aber weiterhin schwach, und wir erwarten einen Rückgang der Produktion, sobald die Lager wieder aufgestockt sind." Die japanische Wirtschaft werde sich erst dann erholen, wenn weltweit das Wachstum anziehe, und das sei erst in der zweiten Jahreshälfte 2009 oder Anfang 2010 der Fall.

Rückgang der Lagerbestände

Die japanischen Firmen haben fünf Monate in Folge ihre Lagerbestände abgebaut, nachdem im September die Finanzkrise mit dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers einen dramatischen Höhepunkt erreicht hatte. Inzwischen sind die Lager so leer wie zuletzt 2004, die Bestände wurden zudem stärker reduziert als in anderen Ländern. Experten gehen nun davon aus, dass die Firmen auch in den kommenden Monaten ihren Ausstoß steigern, um die Übertreibungen beim Lagerabbau auszugleichen. Für das Frühjahrsquartal von April bis Juni erwarten sie ein Wachstum von 0,4 Prozent - zuvor war die japanische Wirtschaft vier Quartale in Folge geschrumpft und damit so lange wie noch nie seit Beginn der Datenerhebung. Die Industrieproduktion dürfte nach Einschätzung der Regierung im Frühjahr um 8,7 Prozent zulegen und damit so stark wie seit 1953 nicht mehr.

Allerdings sind die Aussichten für die heimische Wirtschaft düster: Immer noch sind die Kapazitäten bei weitem nicht ausgelastet, so dass die Firmen sich bei Investitionen zurückhalten dürften. Zudem drückt die steigende Arbeitslosigkeit auf den Konsum. Experten bezweifeln daher, dass ein nachhaltiger Aufschwung bevorsteht. "Die Erholung wird an Tempo verlieren", so Maiko Noguchi von Daiwa SMBC.

Eine neuerliche Deflationsspirale drohe Japan aber nicht, sagte Notenbank-Vizegouverneur Hirohide Yamaguchi. "Wir gehen davon aus, dass die Verbraucherpreise ab Sommer nicht mehr so stark sinken." Im Mai gingen die Lebenshaltungskosten verglichen mit dem Vorjahr um 1,1 Prozent zurück und damit so stark wie nie zuvor. Die Notenbank geht davon aus, dass auch in den kommenden zwei Jahren die Preise weiter sinken. In den 90er Jahren hatte eine Deflationsspirale, bei der sich die Verbraucher in der Hoffnung auf weiter fallende Preise mit Käufen zurückhielten, die japanische Wirtschaft in eine schwere Krise gestürzt. (APA/Reuters)