Salzburg - Die Liquid Lounge der Wiener Gruppe Liquid Loft (Chris Haring, Thomas Jelinek) und des Jin Xing Dance Theatre aus Schanghai nennt sich neckisch "lovely" . Doch mit Lieblichkeit hat dieses betont politische Tanzprojekt rein gar nichts zu tun. Aktuell zum Auftakt des Salzburger Sommerzene-Festivals uraufgeführt, wird diese Arbeit im August auch bei Impulstanz in Wien zu sehen sein.

Der Inhalt wird in einem Gespräch zu Beginn auf den Punkt gebracht: "Warum kann ein Mann seinen Job verlieren, wenn er eines Tages in Frauenkleidern zur Arbeit kommt?" Es geht um die Überschreitung von Geschlechtergrenzen - und das im interkulturellen Dialog.

Jin Xing ist nicht nur in China ein Star. In ihrer auch auf Deutsch erhältlichen Autobiografie Shanghai Tango. Mein Leben als Soldat und Tänzerin beschreibt sie ihren Werdegang zum Oberst an einer Militärakademie und zum besten Tänzer Chinas. Mit 28 zog sie ihre Geschlechtsumwandlung durch - die erste in China offiziell akzeptierte Operation dieser Art. Seit neun Jahren leitet Jin Xing ihre eigene Tanzkompanie. Ihr Auftritt in der Lovely Liquid Lounge ist der einer Diva mit der Schlagfertigkeit etwa von Lilo Wanders.

Eine Lounge im zeitgenössischen Tanz ist ein relativ neues, aus der Installation heraus entwickeltes Format, in dem die Besucher leger auf Sofas und Hockern Platz nehmen und sich an einer Bar Erfrischungen holen können. Wie beim Parcours werden dabei meist mehrere Arbeiten verschiedener Künstler in eine gemeinsame Dramaturgie gebracht. Die Lovely Liquid Lounge besteht aus einer Liveinstallation der experimentellen Modedesignerin Lisa D., die in Chris Haring einen guten Partner für ihre performativen Acts gefunden zu haben scheint. Weiters aus einem mit Identität spielenden Solo der Tänzerin Stephanie Cumming und dem wunderbaren autobiografischen Act Mode française von Jakob Lena Knebl.

Herzstück dieser Lounge aber ist die brillante choreografische Komposition Das China Projekt, eine Kollaboration von Haring und Jin Xing. Letztere führt wie eine Moderatorin durch Szenen, in denen sechs atemberaubend schöne Tänzerinnen und ein Mr. Wang süffisant über den Machismus in Chinas Gesellschaft, die Kodes des urbanen Lifestyle und die Banalität der Geschlechterrollen herziehen.

Die Arbeiten der an der Lounge beteiligten Künstler sind nicht nur aneinandergereiht. Vielmehr verschwimmen die Grenzen: So wird Autorschaft zu einer Angelegenheit gegenseitigen Austauschs. Die Form entspricht dem Inhalt. Der Künstlerin Jin Xing und ihren Liquid-Loft-Komplizen geht es um die Aufhebung aller unterschiedlichen Wertungen von Geschlechterdefinitionen. Angesprochen ist jenes Österreich, das sich krümmt und windet, wenn es um die Gleichberechtigung von Trans-, Bi- und Homosexualität oder ganz allgemein um Genderpolitik geht. (Helmut Ploebst, DER STANDARD/Printausgabe, 27./28.06.2009)