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Serbiens Außenminister Vuk Jeremić.

Foto: APA/EPA/PETER SCHNEIDER

...und erklärt Andrej Ivanji auch, warum Kosovo-Bürger weiter Visa brauchen.

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STANDARD: Valentin Inzko, der internationale Hohe Vertreter für Bosnien und Herzegowina, hat mit seinem Veto gerade einige Beschlüsse des Parlaments der bosnisch-serbischen Entität außer Kraft gesetzt. Wie finden Sie das?

Jeremić: Serbien ist einer der Garanten des Friedensabkommens von Dayton, setzt sich für die territoriale Integrität Bosniens ein und will sich prinzipiell nicht in die inneren Angelegenheiten eines unabhängigen Staates einmischen. Wir glauben aber, es wäre weit besser, dass sich die demokratische Gesellschaft in Bosnien-Herzegowina so weit entwickelt, dass es keinen Bedarf mehr gibt für eine Funktion im Rahmen der bosnischen Staatsordnung, die absolutistische Befugnisse hat und über die im Ausland entschieden wird.

Wir sehen einfach nicht ein, wie die Demokratie stärker werden soll, wenn der Hohe Vertreter das Recht hat, Beschlüsse eines demokratisch gewählten Parlaments außer Kraft zu setzten. Wir glauben nicht, dass dieser Schritt zur Stabilität der Lage beigetragen hat. Wir glauben, dass nach fünfzehn Jahren Herrschaft der Hohen Vertreter in Bosnien-Herzegowina die Zeit für eine volle Demokratie gekommen ist.

STANDARD: In Serbien freut man sich schon, dass die Visapflicht für die Schengen-Staaten ab 1. Jänner 2010 aufgehoben werden soll. Was bedeutet das für den Kosovo, den Serbien als eigenes Territorium betrachtet? Heißt das, Belgrad wird den Kosovaren, die sie als eigene Bürger betrachtet, keine Reisepässe ausstellen?

Jeremić: Jeder Bürger Serbiens hat laut Verfassung die gleichen Rechte. Auch das Territorium Serbiens ist in der Verfassung definiert, und alle Bürger, die auf diesem Territorium leben, haben das Recht auf ein serbisches Reisedokument. Tatsache ist, dass auf einem Teil des serbischen Territoriums (dem Kosovo, Anm.) ein besonderes Verwaltungsregime herrscht, das die UN-Resolution 1244 vorsieht. Die administrativen Kapazitäten Serbiens auf diesem Teil seines Territoriums sind beschränkt, deshalb sind zusätzliche Sicherheitsmechanismen notwendig, die die Kriterien europäischer Experten zufriedengestellt haben.

STANDARD: Im Klartext: Kosovo-Albaner werden keine serbischen Reisepässe bekommen?

Jeremić: Die Sicherheitsmaßnahmen werden adäquat und im Einklang der Sicherheitsverhältnisse auf diesem Teil des serbischen Territoriums sein.

STANDARD: Serbien will Mitglied der EU werden. Glauben Sie wirklich, dass das möglich ist, wenn Belgrad die Unabhängigkeit des Kosovo nicht anerkennt, wie es 22 Mitgliedsstaaten der EU getan haben?

Jeremić: Bisher haben nur 60 von 192 Mitgliedsstaaten der UN den Kosovo anerkannt, die große Mehrheit erkennt die territoriale Integrität Serbiens an. Diplomatische Bemühungen Serbiens haben sich anscheinend ausgezahlt, durch friedliche Politik haben wir unseren Standpunkt mittlerweile legalisiert. Und das trotz des konstanten Drucks einiger der mächtigsten Staaten auf viele Länder in der ganzen Welt, die rechtswidrige Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen. Serbien wird ganz sicher unter gar keinen Umständen den Kosovo anerkennen. Auf der anderen Seite glaube ich fest, dass Serbien und alle anderen Staaten des Westbalkans Mitglieder der EU werden.

STANDARD: Worauf beruht eigentlich ihr Optimismus? Sie können doch nicht glauben, dass Prishtina die Unabhängigkeit aufgibt, oder westliche Staaten die Anerkennung des Kosovo revidieren?

Jeremić: Der Prozess über die Legalität der Unabhängigkeit des Kosovo läuft vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH). Wir sind überzeugt, dass das Urteil des IGH lauten wird, dass es im Falle der Unabhängigkeit des Kosovo zu einer Verletzung des Völkerrechts gekommen ist. In diesem Fall wird Prishtina in einem Schwebezustand sein, weil es keine weiteren Anerkennungen der Unabhängigkeit geben wird.

Nach einem solchen Urteil wird der Kosovo ganz sicher nicht Mitglied einer einzigen internationalen Organisation werden können. Diesen Schwebezustand wird Prishtina nur durch Dialog, durch Verhandlungen mit Belgrad überwinden. Die früheren Verhandlungen sind ja gescheitert, weil den Kosovo-Albanern versprochen worden ist, im Falle eben eines Fehlschlags der Verhandlungen könnten sie die Unabhängigkeit ausrufen und einige große Staaten würden sie dann anerkennen. (DER STANDARD, Printausgabe, 27./28.6.2009)