Gerda Reichl-Schebesta

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STANDARD:  Der Grand Prix Ihrer Jury für Direktmarketing ging an die Traumjob-Kampagne - Inselwart in Australien. Ist das nicht eher eine PR, wo sie wie in der Onlinejury ebenfalls den Grand Prix machte?

Reichl-Schebesta: Oder ist es vielleicht doch eine Promotion? Ich kann nur soviel sagen, dass wir die Frage "Was ist Direct?" bis zum Schluss diskutiert haben. Das lustige ist, dass genau diese Kampagne auch bei PR gewonnen hat, diese Jury hat also die besondere Leistung im PR-Bereich gesehen. Eine klare Definition steht aus, weil die Grenzen halt fließend sind bzw. ständig neu gezogen werden, und das ist das Interessante an Cannes: das Ausweiten und Neuaufladen von Kategorien. Es ist ja heute nicht mal mehr beim Plakat so klar: Ist eine Riesen-Erdbeere, die vor einer Plakatwand schwebt und platzt, ein Plakat?

Ein Merkmal für "Direkt" ist auf jeden Fall der sogenannte "Call for Action" - und bei der Kampagne für den "Besten Job der Welt" gab es einen solchen ganz eindeutig: die Kampagne hat mit einer kleinen Jobanzeige in Tageszeitungen gestartet, mit der direkten Aufforderung, Bewerber mögen sich bitte melden. Begleitet waren diese Anzeigen von vielen anderen Maßnahmen, eben auch in der PR und im Internet.

Aber das wichtigste Merkmal von Direct ist, jemanden persönlich zu etwas zu bewegen, und das hat die Kampagne getan - sogar News-Präsentatoren aus aller Welt haben live auf Sendung überlegt, ob sie sich für diesen Job bewerben sollen.

STANDARD:  War das Ihr Favorit?

Reichl-Schebesta: Ja, das ist eine Kampagne, wo der Funke einfach sofort überspringt - der Juror ist ja auch irgendwann mal ein Mensch! Man muss nicht lang Erklärungen und Hinleitungen lesen, die Reaktion war ganz eindeutig und sofort: Wow! Schon, als die Kampagne bei uns durch die Medien gegangen ist, hab ich mir gedacht: Wahnsinns-Idee, das ist ein Löwen-Kandidat. Die Leute, die sich diese Kampagne ausgedacht haben, können sich echt freuen - andrerseits ist die Erwartungshaltung an dieses Team jetzt extrem hoch, wird ihnen je wieder so etwas gelingen?

STANDARD: Sie haben tausende Arbeiten aus aller Welt gesehen: Kann Österreich mithalten?

Reichl-Schebesta: Solange wir Directmarketing so verstehen: "Na und da machen wir dann auch noch ein Mailing und eine Anzeige mit Response-Element." werden wir in der Kategorie nicht viel reißen. Es haben heuer große Kampagnen gewonnen, die Auftraggeber mit großen Etats und echten zu lösenden Aufgaben hatten. Ok, zirka ein Drittel der Arbeiten auf der Shortlist sind extra für den Wettbewerb gemacht worden. In Österreich splitten viele Auftraggeber ihre Etats in "klassisch" und "nicht klassisch", statt sie zu vereinen. So gibt es auf beiden Seiten oft nur kleine Budgets für Maßnahmen, die dann auch nicht soviel bewegen.

Den Bronzelöwen haben wir - das patriotische wir! genauergesagt das Team rund um Patrik Partl - für ein äußerst smarte Idee bekommen, das gibt Hoffnung, dass wir in den nächsten Jahren mit kleinen Budgets trotzdem gewinnen können. Ich glaube nicht, dass es an zuwenig Ideen liegt, wir haben einfach zu wenig Geld für die Umsetzungen: wenn man sich die Print-Shortlist anschaut, sehe ich da kaum Arbeiten, die wirklich für "die Werbung" eingesetzt worden sind, wahrscheinlich bewundern wir da 85 Prozent Fakes, Scams, Spoofs oder, wie wir neuerdings sagen: Flip-Flops. Da haben einige Agenturen einfach viel Spielgeld als Einreich-Budget. Was übrigens auch ein wichtiger Punkt ist, um in Cannes zu punkten: die Direct-Agentur des Jahres hat, wie kolportiert wird, weit über 50.000 Euro für die Einreichungen ausgegeben. 

STANDARD: Sie haben ihren Jurypräsident David Sable für ein Videointerview auf etat.at gefragt, ob die Krise dem Direktmarketing zusätzlichen Schub verleiht. Was meinen Sie denn?

Reichl-Schebesta: Sehen wir es mal ganz menschlich: Jeder will umworben werden. Jetzt wissen wir alle, daß es vielen Unternehmen gerade nicht so gut geht, da können sich die ruhig ein bisschen anstrengen, mich ganz persönlich zu unterhalten und als Kunden zu gewinnen. 

Professionell gesehen liest sich das so: Wenn Unternehmen Umsatz-Rückgänge und sinkende Kundenloyalität bemerken, wird sich nur die Werbung durchsetzen, die auch ein Business-Problem eines Auftraggebers löst. Da Directmarketing zielgerichtet und ergebnisorientiert funktioniert, ist das schon mal ein Punkt, der für einen Schub spricht: der Auftraggeber kann schnell feststellen, ob eine Maßnahme wirkt oder nicht. 

Die andere Seite ist die Medien- und Botschaftenvielfalt, der wir alle ausgesetzt sind: da nimmt man keine Image-Kampagne beim Vorbeifahren einfach so mit. Die persönliche Kontaktaufnahme ist der einzige Weg, durch das News-Dickicht durchzudringen und jemanden zu bewegen. 

Und dann gibt es natürlich all die technischen Möglichkeiten am Handy, im Internet, die einem genau das erlauben. Letztlich hat fast jede Kampagne heutzutage ein Direktmarketing-Element - in den meisten Fällen ist es die Website, auf der jeder die Möglichkeit hat, sich dann, wann er will über das, was er wissen will, zu informieren und vielleicht auch gleich ganz bequem zu kaufen oder Kontakt aufzunehmen. Kurz: Die Antwort ist ja!

STANDARD: Darf ich Ihnen gleich noch eine Ihrer Fragen stellen: Ist eigentlich alles, was digital ist, auch Direktmarketing?

Reichl-Schebesta: Jeder Banner, der auf einem Computer gesehen wird, richtet sich an genau eine Person - nämlich die, die gerade davor sitzt und die Möglichkeit hat, mit Mouseklick zu antworten. Jedes Handy gehört zu genau einer Person. Beide Medien oder Kanäle, in denen digital geworben werden kann, sind also ganz persönlich und geben die Möglichkeit, sofort zu antworten - der berühmte Call-for-Action kann per Mouseklick, per SMS-Antwort oder per gesprochener Antwort schnell und einfach ausgeführt werden. (Oder auch nicht.) So gesehen ist alles, was digital ist, auch direkt.

STANDARD: Ist Direktmarketing der beste Job, wollten Sie von Jurykollegen wissen. Wie sehen Sie das denn? Eher Bidenko oder eher Aldridge?

Reichl-Schebesta: Ehrlich: Bei Directmarketing dachte ich bisher eher an fade Briefe in bunten Kuverts und halblustige Beilagen in Mailings. Das, was in Cannes gezeigt wurde, war beeindruckend und macht große Lust auf Direktmarketing. Ich glaube, das ist die Kategorie, wo am wenigsten gefaked wird (die österreichischen Einreicher werden jetzt schmunzeln).

Jedenfalls: Ich liebe meinen Job, und was ich besonders daran mag, ist, dass er nicht "nur" Direktmarketing ist, sondern täglich alle Wege offen lässt. Zuerst die Idee, dann die Wahl der Mittel.  Was ich noch lieber lieben würde, wär natürlich, die Agentur irgendwo am Meer zu haben ... (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 27./28.6.2009/Langfassung)