Moskau/Wien - Die am heutigen Freitag in Straßburg zu Ende gehende Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) könnte für die russische Delegation die letzte sein, schrieb die russische Zeitung "Kommersant" (Freitag). Wie Konstantin Kossatschow, Leiter des Ausschusses für Auswärtiges in der Staatsduma (Parlamentsunterhaus), der Zeitung sagte, könnte Russland bereits im Herbst oder Winter das Stimmrecht in dieser großen Organisation Europas entzogen werden.

Moskau drohte mehrmals, dem Europarat den Rücken zu kehren, wenn es zu dieser Sanktion kommen sollte, berichtete die russische Agentur RIA Novosti am Freitag. In diesem Fall würden die russischen Bürger die Möglichkeit verlieren, die Entscheide russischer Gerichte und Behörden vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzufechten.

Die georgische Delegation habe laut RIA in der ganzen Woche im Europapalast Unterschriften mit der Forderung gesammelt, der russischen Delegation das Stimmrecht zu entziehen. Als Grund dafür wird der Umstand angegeben, dass Moskau mehrere PACE-Resolutionen nicht erfüllt habe. Seit dem Krieg zwischen Russland und Georgien im August des vergangenen Jahres ist die Situation zwischen den beiden Ländern im Streit um die von Georgien abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien, die Moskau als unabhängig anerkannte, gespannt.

Kaukasus-Konflikt

Der Europarat verlangte laut Medienberichten eine unabhängige Untersuchung des Kaukasus-Konflikts vom August des Vorjahres durchzuführen, internationalen Beobachtern Zugang zur Region zu sichern und die russischen Truppen abziehen zu lassen. Außerdem habe die PACE Moskau aufgerufen, die Anerkennung Abchasiens und Südossetiens zurückzunehmen. Russlands Delegation nennt diese Forderungen provokativ und absichtlich unerfüllbar.

"Ich fürchte, wir stehen vor einem sehr großen Konflikt in der Zukunft. Die Diskussion wird sich qualitativ verändern: Während früher erörtert wurde, ob Russland Recht habe oder nicht, so wird die Rede jetzt davon sein, ob wir die Beschlüsse der Versammlung erfüllt haben", so Kossatschow. In der politischen Führung in Moskau wird neuerdings laut RIA immer öfter gefragt, wozu Russland es nötig habe, im Europarat zu bleiben und sich Kritik anzuhören.

Die russische Delegation habe, wie Kossatschow sagte, "einen genauen und durchdachten Handlungsplan" zur Bekämpfung der Versuche, sie um das Stimmrecht in der PACE zu bringen. Allerdings präzisierte er nicht, worin der Plan bestehe.

Eine Quelle der "Kommersant" im Europarat nimmt an, dass sich die Lage der russischen Delegation stark verbessern könnte, falls in diesem Herbst ein Russland freundschaftlich gesinnter Politiker zum neuen Generalsekretär gewählt werde. Demnach könne es sich dabei um den früheren PACE-Vorsitzenden Rene van der Linden handeln, der für seine freundschaftliche Einstellung zu Russland bekannt sei. (APA)