Grafik: Apple

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Rein äußerlich ist das iPhone 3GS kaum vom Vorgängermodell zu unterscheiden

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Ein echtes Highlight ist der Kompass, der eine neue Klasse von Anwendungen ermöglichen sollte

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Auch die Kamera hat ein größeres Update, im Vergleich zum Mitbewerb bewegt man sich damit aber noch immer im Mittelfeld

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Wenn Apple ein neues Gerät vorstellt, dann darf es sich gemeinhin der weitgehend uneingeschränkten Aufmerksamkeit der Online-Community sicher sein. Kaum ein anderes Unternehmen kann sich über eine ähnlich eingeschworene Fan-Schar freuen wie das Unternehmen aus dem kalifornischen Cupertino.

Speed!

So war es denn auch Anfang Juni wieder soweit: Im Rahmen der World Wide Developers Conference (WWDC) wurde eine neue Generation des iPhones vorgestellt. Die zentrale Ausrichtung des Hardware-Upgrades macht man dabei gleich über den Namen klar: Das "S" in iPhone 3GS steht für "Speed", die Benutzung soll entsprechend also flüssiger vonstatten gehen als bei den Vorgängermodellen. Und um das gleich vorweg zu verraten: Dabei handelt es sich um ein Versprechen, das Apple durchaus einhalten kann, wie sich am von Orange zur Verfügung gestellten Testgerät zeigt.

Realitätstest

So präsentiert sich das iPhone in seiner neuesten Inkarnation in allen Lebenslagen spürbar flotter, das reicht von verkürzten Startzeiten der einzelnen Anwendungen, über einen merklich flotteren Browser bis zum schwer zu quantifzierenden Eindruck, dass alles einfach "runder" läuft. Und da wo doch noch kleinere Wartezeiten übrig bleiben, ist Apple ungeschlagener Meister in Usability-Kosmetik, die gut gemachten Übergangsanimation kaschieren so manche User-Interface-Pause. Ebenfalls erfreulich: Die Startzeit des Geräts ist in etwa halbiert worden. Auch wenn das Neustarten wohl kein regelmäßiger Vorgang sein sollte, so ist das doch ein positiv zu erwähnender Bonus.

Hardware

Für diesen Speed-Boost sind eine Reihe unterschiedlicher Faktoren verantwortlich, allen voran der neue Prozessor des 3GS. Statt einer ARM 11-CPU mit 412 MHz kommt hier nun ein ARM-Cortex-A8-Chip zum Einsatz, der mit 600 MHz getaktet ist. Die Taktfrequenz ist dabei aber bei weitem nicht der einzige Unterschied, so besitzt die neue CPU einen doppelt so großen L1-Cache wie der Prozessor des iPhone 3G, zusätzlich ist ein 32 KB großer L2-Cache hinzugekommen.

Grafik

Ebenfalls ausgetauscht wurde der Grafikchip: Wurde beim iPhone 3G noch ein PowerVR MBX-Lite verbaut, ist man mittlerweile auf den PowerVR SGX gewechselt. Für die KundInnen bedeutet dies vor allem, dass damit grafisch deutlich aufwändigere Spiele möglich sein sollten, ist die neue GPU doch je nach Anwendung irgendwo zwischen zwei- und siebenmal so schnell wie der Vorgänger. Und ein Faktor der für den Speed-Bereich ebenfalls nie zu vernachlässigen ist: Das iPhone 3GS hat nun doppelt so viel Speicher. Die 256 statt den bisherigen 128 MByte sollen dafür sorgen, dass auch bei intensiver Nutzung die Leistung nicht mehr spürbar nach unten geht.

Testweise

Was von all dem konkret zu erwarten ist, zeigt sich in ersten Benchmarks. So hat etwa Anandtech anhand einiger Beispielseiten ermittelt, dass die Webseiten-Darstellung beim iPhone 3GS mehr als doppelt so schnell ist wie beim 3G. Auch die vor allem für Web-Anwendungen wie den Google Reader wichtige Javascript-Performance hat einen ordentlichen Speed-Boost erhalten. Beim Sunspider-Benchmark erreicht das iPhone 3GS einen Wert von 16,5 Sekunden, das 3G muss sich hier mit 48,7 Sekunden zufrieden geben - und das selbst mit dem aktuellen OS 3.0. Ergebnisse, die auch subjektiv deutlich wahrnehmbar sind, das Surfen mit dem iPhone 3GS präsentiert sich so flott und komfortabel wie sonst auf keinem anderen derzeit verfügbaren Smartphone.

Batterie

Einen zweiten Schwerpunkt hat man bei der Ankündigung des 3GS auf die Verbesserung der Batterielaufzeit gelegt, doch wo in Geschwindigkeitsfragen all das Versprochene eingelöst wird, ist die Akku-Realität ein etwas diffizilere. So hält das iPhone 3GS im Idle-Modus - also wenn es gerade nicht benutzt wird - laut allen bisherigen Tests tatsächlich rund 20 bis 30 Prozent länger als das 3G, wie stark - und ob - man davon im Alltag tatsächlich etwas spürt, hängt aber vor allem vom eigenen Nutzungsverhalten ab. Denn: Die aktualisierten Komponenten wie CPU und GPU ziehen unter Volllast auch mehr Strom als ihre Vorgänger. Insofern sollten sich UmsteigerInnen auf Dauer nicht all zu viel in dieser Hinsicht erwarten, an die Laufzeiten des originalen iPhones kommt das 3GS ohnehin nicht annähernd heran - kein Wunder, UMTS und Co. fordern eben einfach ihren Tribut.

Kamera

Als Highlight des iPhone 3GS darf man die verbesserte Kamera zwar durchaus bezeichnen, dies aber wirklich nur in Relation zur - in diesem Bereich - ziemlich schlechten Ausstattung des Vorgängermodells. So landet man mit 3,2 Megapixel und Autofokus nun zumindest in der aktuellen Handykamera-Mittelklasse, auf ein Blitzlicht muss man allerdings weiterhin verzichten. Nett ist dabei zwar, dass sich der Fokus einer Aufnahme über den Touchscreen manuell verändern lässt, halbwegs brauchbare Aufnahmen gibt es trotzdem nur bei optimalen Lichtverhältnissen. Jenseits von guter Ausleuchtung sind hingegen nur geringe Verbesserungen gegenüber dem 3G bemerkbar.

Videos

Ein echtes Plus ist die Videoaufnahmefunktion, auch wenn hier "nur" VGA-Auflösung geboten wird, läuft das Ganze doch recht durchgehend mit den versprochenen 30 Bildern pro Sekunde. Wirklich toll gelungen ist dabei aber vor allem die Integration eines Video-Editors, der das Zusammenschneiden eines kurzen Clips auf sehr einfache Weise ermöglicht. Wer dann mit dem Ergebnis zufrieden ist, darf das Ganze auch gleich auch Youtube oder MobileMe hochladen.

Ausrichtung

Beinahe etwas unterspielt hat man hingegen einen anderen Neuzugang: Den Kompass. Denn was derzeit über die zugehörige Anwendung vor allem wie eine hübsch gemachter Bonus daherkommt, könnte sich auf Dauer als eine der wichtigsten Verbesserungen des iPhone 3GS herausstellen. Ermöglicht dieser doch eine ganz neue Klasse von Anwendungen, die grob unter dem Begriff "Augmented Reality" zusammengefasst werden können.

Wer Android-Handys wie das T-Mobile G1 kennt, wird in etwa wissen was damit gemeint ist: Anwendungen, die über die Kameransicht zusätzliche Informationen legen. Eines der prominentesten Beispiele dafür ist der in Österreich entwickelte Reiseplaner Wikitude, bei dem Sehenswürdigkeiten im Realbild eingezeichnet werden. Für die Zukunft wird sich in diesem Bereich wohl noch einiges tun, so soll etwa der "Augmented Reality Browser" Layar in den nächsten Wochen auch für das iPhone 3GS erscheinen.

Betriebssystem

Ein Großteil der weiteren Neuerungen sind vom Update auf das iPhone OS 3.0 getragen - und somit auch für die BenutzerInnen älterer Hardware verfügbar. Dazu gehört neben der Unterstützung von MMS-Nachrichten auch die Beendung der zum zuletzt schon fast in die Lächerlichkeit abgerutschen, leidigen "Apple vs. Copy und Paste"-Geschichte. Dieses elementare Feature gibt es nun endlich, und dazu auch noch elegant und hübsch gelöst.

Suche

Ein definitives Plus ist die systemweite Suchfunktion, Mac-BesitzerInnen können sich darunter eine Art mobiles Spotlight vorstellen. Dabei werden Kalendar, Musik, Notizen, Kontakte und Mail zentral durchsucht, letzteres geht sogar per IMAP4 und Exchange am Server. Nett auch die Integration von Nike + iPod, wobei sich schon die Frage stellt, wer wirklich ein - gegen den iPod nano - doch recht schweres Gerät wie das iPhone beim Laufen herumtragen will. Für die Extra-Mühe können dann aber auch die diversen Werte schon direkt beim Lauf angezeigt werden - und nicht erst am heimischen Rechner.

Teilen

Vor allem für jene, dich gern mal mit dem Laptop unterwegs sind, sehr nützlich: "Internet Tethering" erlaubt das Teilen der Internet-Verbindung mit anderen Geräten, dies wahlweise per Bluetooth oder per USB-Kabel. Ob dies erlaubt wird, hängt nicht zuletzt vom Mobilfunkanbieter ab, in Österreich ermöglichen dies glücklicherweise sowohl T-Mobile als auch Orange. Allerdings müssen die iPhone-KäuferInnen zuvor beim Provider explizit um dieses Service ansuchen, wer sich das ersparen will, sei darauf hingewiesen, dass sich Internet Tethering mit ein paar Tricks  auch ohne offizielles O.K. freischalten lässt.

Voice

Passend dazu gibt es jetzt auch Stereo Bluetooth sowie eine Sprachsteuerung für all jene, die ihr Handy gern auf diese Weise ansteuern wollen. Nett ist auch das Service, um ein verloren gegangenes iPhone wieder aufzuspüren, allerdings ist dies an das Vorhandensein eines kostenpflichtigen MobileMe-Accounts gebunden.

Look

Rein äußerlich lässt sich ein iPhone 3GS übrigens kaum von seinem Vorgänger unterscheiden, lediglich auf der Rückseite hat sich die Schriftfarbe geändert. Leider bedeutet dies auch, dass das iPhone-Gehäuse weiterhin äußerst anfällig für Fingerabdrücke ist, der stylische Look der Produktfotos weicht hier recht schnell der verschmierten Realität. Allerdings hat man dem Bildschirm selbst eine neue Spezialbeschichtung verpasst, die hier etwas Abhilfe bietet - oder zumindest das Abwischen des Geräts vereinfacht.

Fazit

So präsentiert sich das iPhone 3GS als solides Update für Apples Mobiltelefon, in einigen Bereichen holt man Defizite gegenüber der Konkurrenz auf (Kompass, Kamera...), in anderen hat man die Nase klar vorn, etwa bei der Geschwindigkeit des Geräts. Dies manifestiert sich vor allem in einer ungeschlagen komfortablen Web-Nutzung und allgemein einem sehr durchdachten und flotten Interface. Wirklich neu erfunden hat man damit die Mobiltelefonwelt freilich nicht, aber diese offenbar von manchen angelegte Erwartungshaltung, kann selbst ein für seine guten Inszenierungen bekanntes Unternehmen wie Apple nicht erfüllen.

Einschränkungen

Eine uneingeschränkt positive Beurteilung verbaut sich Apple aber auch selbst durch die eine oder andere strategische Entscheidung. So ist es noch immer nicht möglich mehrere Programme parallel laufen zu lassen, ein Umstand der etwa ortsabhängige Anwendungen erheblich in ihren Möglichkeiten einschränkt. Die Verweigerung eines USB-Storage-Betriebsmodus für das iPhone nervt ebenso wie die standhafte Ablehnung von Flash-Support. Denn während etwa in Kürze das erste Android-Gerät mit Flash auf den Markt kommt, will Apple die verbreitete Adobe-Technik auf seinem Gerät weiter nicht zulassen.

Upgrade

Ein "Must"-Upgrade für bestehende iPhone-3G-BesitzerInnen ist das neue Gerät zumindest derzeit noch nicht, die meisten Zusatzfunktionen bekommt man ohnehin auch so über das iPhone OS 3.0 Upgrade. Allerdings könnte sich der Upgrade-Druck mit der Zeit erheblich verstärken, dann nämlich wenn neue Spiele und Anwendungen die zusätzlichen Fähigkeiten des 3GS verstärkt nutzen - Stichwort Kompass und GPU - und dann auf dem 3G schlecht oder gar nicht mehr funktionieren. (Andreas Proschofsky [@suka_hiroaki auf Twitter], derStandard.at, 28.06.2009)