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Kriminalsoziologe Pilgram sagt: "Die Akzeptanz von autoritären Kontrollen ist in Österreich erschreckend hoch."

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Bundeskanzler Werner Faymann setzt sich dafür ein, es ist das aktuelle Lieblingsthema der ÖVP Wien und FPÖ Klubobmann Heinz Christian Strache will mit ihrer Hilfe gar zum nächsten Bürgermeister von Wien werden: Das Thema Sicherheit dominiert den Wiener Wahlkampf. Jede Partei versucht aus dem suggerierten Fehlen von Sicherheitsbeamten und dem vermeintlichen Zuwachs an Kriminalität (Wahlkampf-)Kapital zu schlagen. 

So präsentierte Strache am Freitag beispielsweise die Zahlen des Sicherheitsmonitors. Dieses Erfassungssystem ist allerdings umstritten, denn dabei zählt eine Handtasche nicht als ein Diebstahl wie in der Kriminalstatistik, sondern alle Einzelteile der Handtasche werden als gesonderte Kriminalfälle behandelt. Straches Interpretation der Verdachtszahlen: In der Bundeshauptstadt sei jeder zweite von Kriminalität betroffen. "50 Prozent aller Verbrechen passieren in Wien. Dem stehen nicht einmal ein Drittel der Exekutivbeamten gegenüber", so Strache. Dieser "Anstieg der Kriminalität um sieben Prozent" würde einen "Sicherheitsnotstand" forcieren. 

Anders sieht das der Wiener Kriminalsoziologe Arno Pilgram: "Der Gipfel an Anzeigen wurde schon vor zwei Jahren überschritten. Das hat sich nur noch nicht in dieser Form herumgesprochen." Außerdem müsse man die Anzeigenzahlen relativieren. "Es gibt Zahlen von zig verschiedenen Posten - von Drogenkriminalität bis Ladendiebstähle. Da muss man natürlich unterscheiden. Die Kriminalität entwickelt sich nicht linear. Es gibt immer Höhen und Tiefen", so Pilgram im Gespräch mit derStandard.at.

Durch die verschiedenen veröffentlichten Zahlen und die Reaktionen aus Politik und Medien werde das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beeinflusst. Dennoch, so Pilgram, würden internationale Studien zeigen, dass die Angst, Opfer von Kriminalität zu werden, über die Jahre relativ konstant geblieben sei. "Wenn man nur auf die Anzeigen schaut, entsteht ein falsches Bild."

"Kann die Freiheitlichen nicht überholen"

Für den Politologen Thomas Hofer ist das Thema Sicherheit in Kombination mit dem Bereich Migration das dominierende Thema des Wiener Wahlkampfes. Die FPÖ tue sich dabei von allen Parteien am leichtesten, weil sie in der öffentlichen Wahrnehmung seit Jahren "Mehr Sicherheit" propagieren. "Es wird hier ganz schwer für alle anderen Parteien, innerhalb weniger Monate eine Gegenstrategie aufzubauen." Denn immer versuchen zu wollen die Vorschläge der FPÖ zu überbieten, werde nicht funktionieren: "Hier kann man die Freiheitlichen nicht überholen. Alles was hier an zusätzlichen Vorschlägen kommt, stärkt die Position der FPÖ nur noch mehr in diesem Bereich", sagt Hofer im Gespräch mit derStandard.at.

Dass die beim EU-Wahlkampf noch dominierende Religionsdebatte momentan vollkommen abgekühlt ist, erklärt sich Hofer so: "Da hat die FPÖ über das Ziel hinausgeschossen. Das wird von den Wählern nicht goutiert." Einen Verdruss bei der Bevölkerung durch zu große Einschränkungen der persönlichen Freiheit wird es jedoch nicht geben, glaubt Kriminalsoziologe Pilgram: "Die Akzeptanz von autoritären Kontrollen ist in Österreich erschreckend hoch."

Die Gefahr auf Wiens Straßen und Plätzen ist enden wollend, auch wenn die Wiener Parteien versuchen etwas anderes zu vermitteln. "Wien schneidet bei Befragungen allen Unkenrufen zum Trotz immer extrem gut ab", sagt Pilgram. Ein Indiz dafür sei unter anderem, dass es in ganz Wien keine "No-Go-Area" gebe. Insgesamt liegt Österreich bei dem 2008 veröffentlichten "Global Peace Index" der Economist Intelligence Unit (EIU), einer Kommission bestehend aus Friedensexperten und dem Zentrum für Frieden und Konfliktstudien der Universität Sydney weltweit auf Platz zehn.

Heinz Christian Strache sieht dennoch genug Handlungsbedarf. Ein Rückgang der Kriminalität sei vor allem durch die Aufstockung der Exekutivbeamten zu erwirken. So kann er sich auch vorstellen, dass Magistratsbeamte künftig die Verwaltungsaufgaben bei der Polizei übernehmen. Und Strache denkt noch einen Schritt weiter: "Wenn ich Wiener Bürgermeister bin, werde ich alle Magistratsbeamte persönlich besuchen. Wer will, kann sich dann freiwillig melden." (Teresa Eder und Saskia Jungnikl, derStandard.at, 26.6.2009)