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Plastikmüll zerlegt sich im Meer in winzige Partikel.

Foto: APA/EPA/MIKE NELSON

Hongkong - Er wächst seit 60 Jahren unbeachtet im Pazifischen Ozean und hat nach Einschätzung von Wissenschaftern eine Größe von mehreren hunderttausend Quadratkilometern: Ein Strudel aus Plastikmüll, der von Plastikflaschen, -behältern und -säcken stammt und unter Einwirkung von Sonne, Gezeiten, Wind und Wellen in winzige Partikel zerrieben wurde. Die giftige Suppe dreht sich in einer gigantischen Strudelbewegung knapp unter der Meeresoberfläche zwischen den US-Bundesstaaten Hawaii und Kalifornien im Uhrzeigersinn dahin.

Eine Gruppe von Umweltschützern und Wissenschaftern aus Asien und den USA will in den kommenden Monaten eine Expedition zu dem entlegenen Meeresgebiet unternehmen. Dabei soll erforscht werden, ob der für Mensch und Tier gefährliche Abfall aus dem Meer gefischt und verwertet werden kann.

Ozeanwirbel

"Es wird viele Jahre dauern, das Problem zu erfassen und zu lösen", sagt der kalifornische Meereskundler Jim Dufour, der die Reise beratend begleitet. Für die Zukunft der Ozeane sei dies aber lebensnotwendig. 6,4 Millionen Tonnen Müll werden laut United Nations Environment Programme (UNEP) jedes Jahr in die Ozeane gekippt, umgerechnet schwimmen auf jedem Quadratkilometer Meeresoberfläche 46.000 Stück Plastikmüll - wenn auch in regional höchst unterschiedlicher Konzentration. Dies sind die jüngsten UNEP-Schätzungen, über die derStandard.at Anfang Juni berichtet hat.

Das meiste stammt von der internationalen Schifffahrt: Statt für die Müllentsorgung in den Häfen zu bezahlen, schmeißen die Kapitäne den Müll oft einfach auf hoher See über Bord. Am schlimmsten ist das Problem in fünf Ozeanwirbeln, darunter dem im Nordpazifik, der inzwischen "Östlicher Müll-Strudel" genannt wird.

Giftstoffe in der Nahrungskette

Weil die Abfälle von den Naturgewalten so fein zermahlen wurden, kann das Meiste von Satellitenbildern gar nicht erfasst werden. Seetiere und Vögel nehmen die Plastiksuppe, die nach Angaben von Dufour in vielen Fällen voll toxischer Chemikalien ist, jedoch auf. "Das bedeutet, die Fische fressen mit jedem Stückchen Plastik eine kleine Giftbombe", sagt der Umweltschützer Doug Woodring aus Hongkong, der die Expedition leiten wird. Viele der Giftstoffe könnten so in die menschliche Nahrungskette gelangen. Nicht wenige Tiere verenden an den unverdaulichen Abfällen selbst.

Forschungsreise

Die 50-tägige Reise wird die Forscher auf ihrer Fahrt von San Francisco nach Hawaii und zurück zwei Mal durch das Abfallkarussell führen, das sich mehr als 500 Seemeilen vor der Westküste der USA dreht. Das Forschungsschiff "Kaisei" - auf japanisch Meeresplanet - wird dabei von einem Fischtrawler begleitet. Mit seiner Hilfe sollen Fangtechniken für die Plastikpartikel erprobt werden, die die Meereslebewesen schonen. "Es müssen Netze sein, die engmaschig genug sind, um eine Menge Müll herauszufischen, aber großmaschig genug, um Plankton durchzulassen", sagt Woodring. Außerdem soll erforscht werden, ob der Plastik-Müll recycelt oder sogar als Brennstoff aufbereitet werden kann.

Spenden

Unterstützt wird das Projekt vom UN-Umweltprogramm und einer Firma für Wasseraufbereitungssysteme. Die umgerechnet gut 1,4 Millionen Euro, die für die Expedition notwendig sind, sollen aus Spenden aufgebracht werden. Da sich der Plastik-Wirbel in internationalen Gewässern dreht, fühle sich keine Regierung verantwortlich, sagt Woodring: "Es gibt keine Gesetze, keine Regierung ist richtig zuständig, daher gab es bisher keinen Druck, das Meer zu säubern. Die Leute wissen nicht, was sich da draußen ansammelt."

Zwar wurden bereits zuvor Fahrten zu dem Wirbel geplant und unternommen. Doch Woodrings Mission wird seinen Angaben zufolge das "erste wissenschaftliche Unternehmen sein, das Schadstoffe aus Plastikmüll an der Meeresoberfläche erforscht, ihren Einfluss auf Organismen in mittlerer Tiefe, Ablagerungen am Meeresboden und die Auswirkungen auf Organismen durch Auswaschung von Chemikalien". Der Grund des Übels sei aber an Land zu suchen, sagt Dufour. "Wir müssen weltweit dafür sorgen, dass mit Müll verantwortungsvoll umgegangen wird." (APA/red)