Die neue Kurzarbeit ist ein erster Schritt aber das ist noch nicht das deutsche Modell.

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Die Neuregelung der Kurzarbeit ab 1. Juli, gepriesen als Anpassung an das deutsche Kurzarbeitsmodell, greift nach Ansicht vieler Firmenchefs immer noch zu kurz. "Das ist jetzt ein erster Schritt, aber das ist noch nicht das deutsche Modell" , meint A-Tec-Vorstand Christian Schmidt im Gespräch mit dem Standard.

Dass das Arbeitsmarktservice (AMS) nun ab dem siebten Monat Kurzarbeit die Dienstgeberanteile an der Sozialversicherung übernehme, bringe zwar "sicher eine Entlastung" , im Gegensatz zum deutschen Modell sei das österreichische aber nach wie vor zu inflexibel, um schnell auf die weiter volatilen Marktbedingungen reagieren zu können.

Auftragslage ändert sich täglich

"Unsere Auftragslage ändert sich täglich, da haben wir keine Chance, über dieses Instrument in irgendeiner Form zu reagieren" , erklärt Frank Wiegmann, Chef des Büromöbelherstellers Bene. Denn anders als in Deutschland, wo einzelne Abteilungen oder gar einzelne Mitarbeiter kurzfristig und relativ unbürokratisch in Kurzarbeit geschickt werden können, gebe es in Österreich nur Rahmenvereinbarungen. "Derzeit ist es aber so, dass man schnell reagieren muss, die Montage kann noch ausgelastet sein, in der Vorfertigung brauche ich aber schon Kurzarbeit, weil der Auftragsstand eingebrochen ist" , erklärt Schmidt. Er kritisiert auch, dass in Österreich - anders als in Deutschland - während einer Kurzarbeitsregelung keine Überstunden gemacht werden dürfen.

"Es kann aber wirklich nötig sein, in einem Bereich etwas schnell fertigstellen zu müssen, um zeitgerecht liefern zu können und eine Pönale zu vermeiden. Und dazu braucht man manchmal auch Überstunden trotz Kurzarbeit" , so Schmidt.

Thema Weiterbildung

Auch beim Thema Weiterbildung habe Deutschland die Nase vorn. Dort sind ab dem ersten Tag Kurzarbeit geförderte Qualifizierungsmaßnahmen möglich, bei denen die Bundesagentur für Arbeit dann auch sofort die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung übernimmt. Behaltefristen nach Ende der Kurzarbeit sind unbekannt. Solange Österreich bei diesen Punkten nicht gleichziehe, hätten heimische Betriebe einen klaren Standortnachteil, fordert Schmidt eine rasche Anpassung.

Dass das einst so starre deutsche System inzwischen flexibler ist als das österreichische, führt der gebürtige Deutsche Wiegmann auf die letzte Krise in Deutschland 2002/03 zurück. "Damals war die Situation so dramatisch, dass der Staat gelernt hat, dass mit diesem Puffer der Anstieg der Arbeitslosigkeit gedämpft werden kann." Denn trotz Kurzarbeit wird es einen weiteren Anstieg der Zahl der Arbeitslosen geben.

Den Unternehmen gehe es auch darum, die in den letzten Jahren aufgebauten Facharbeiter zu halten. Immerhin habe man vor einem Jahr noch diskutiert, wo man mehr Facharbeiter herholen könne. Während Bene inzwischen an einigen Vertriebsstandorten in Deutschland be-reits Kurzarbeit fahre, sei dasösterreichische Modell "betriebswirtschaftlich immer noch nicht zu verantworten" , meint Wiegmann.

Befristete Kündigungen

Bene behilft sich angesichts des massiven Auftragseinbruchs seit einigen Wochen mit befristeten Kündigungen mit Wiedereinstellungsgarantie. Etwa 60 Mitarbeiter verlassen dabei für jeweils sechs Wochen den Betrieb, in der Urlaubszeit könnten es auch weniger sein. Das mit dem Betriebsrat und dem AMS vereinbarte Modell solle so lange durchgezogen werden "solange wir es brauchen" .

Dass Unternehmen an Kündigungen mit Wiedereinstellungszusagen festhalten, dürfte nun aber zu ernsteren Reibereien mit den Arbeitnehmervertretern führen. Gewerkschaften und Arbeiterkammer (AK)starten gerade eine Informationsoffensive, die sich in erster Linie an die Betriebsräte richtet. Darin wird auf die rechtlichen Gefahren der Methode hingewiesen: Die Betroffenen könnten um das Arbeitslosengeld umfallen, wenn das Arbeitsmarktservice die befristete Freistellung als Karenzierung und nicht als Arbeitslosigkeit einstufe, erläutert AK-Expertin Silvia Hofbauer. Und sollte das Unternehmen pleitegehen, könnte der Insolvenzentgeltfonds die Forderungen beeinspruchen.

Weiterer Problempunkt aus Sicht der Arbeiterkammer: Der Arbeitslosenanspruch wird durch die Regelungen rasch aufgebraucht. Hofbauer erinnert, dass das Arbeitslosengeld - je nach Beschäftigungsdauer - zeitlich limitiert ist (20 Wochen nach einjähriger Beschäftigung, 30 Wochen nach dreijähriger; ein Jahr Arbeitslosengeld gibt es ab dem Alter von 50). Die nachfolgende Notstandshilfe ist nicht nur geringer dotiert, für die Bemessung werden auch Partnereinkommen und andere Kriterien berücksichtigt.

Kündigungsverbot gefordert

Radikaler sind die Vorstellungen der Ökonomin Özlem Onaran, Dozentin an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sie fordert ein Kündigungsverbot für Firmen, die Dividenden auszahlen. Auch Betriebe, die direkt oder indirekt (über das Bankenpaket) Staatshilfe in Anspruch nehmen, sollte dieser Kündigungsbann treffen, meint sie: "Mit einem Kündigungsverbot würde vermieden, dass die Beschäftigten und Arbeitslosen die Kosten der Krise tragen" , sagt sie.

Für die heimischen Arbeitnehmer könnte ein Verbot der befristeten Kündigungen aber den gänzlichen Verlust des Arbeitsplatzes bedeuten. Er habe noch keine Signale bekommen, dass das Modell in Gefahr sei, sagt Wiegmann. Sollte die Option aber wegfallen, "müssen wir Kündigungen aussprechen" . (Gabriele Kolar,Andreas Schnauder, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 27.6.2009)