Wien - Man hat den Bachmannpreis, den sie seit ein paar Jahren "Tage der deutschsprachigen Literatur" (TddL) nennen, schon mit einem Roulette- oder Fußballspiel verglichen. Mit einer nach literarischem Standrecht inszenierten Exekution, einer Modeschau und mit einem Schaulaufen. Und es ist 25 Jahre her, dass Peter Handke fragte, wie es sein könne, dass sich Autoren in Klagenfurt einem "Trupp gravitätisch-nichtsnutziger Barbaren" aussetzen, welcher "statt der Kulturerneuerung, -wiederholung, -weiterführung vielmehr einen finsterlich-grausig-legalisierten Akt der Kultur-Abtreibung" vornehmen würde.

Die Zeiten allerdings, in denen um den Bachmannpreis, der heuer zum 33. Mal stattfindet, gestritten wurde, sind vorbei, was auch damit zu tun haben mag, dass sich in Zeiten von Castingshows und anderen Sendeformen, in denen die Kandidaten bei bestem Büchsenlicht abgeschossen werden, die Statements der Klagenfurter Jury nobel zurückhaltend ausnehmen. Außerdem kann sich die Liste der Bachmannpreisträger sehen lassen. Mittlerweile ist die oft schon totgesagte und wiederbelebte Klagenfurter Veranstaltung schlicht zum Ritual geworden, bei dem der Literaturbetrieb ein Familienbad im Wörthersee nimmt und es die Autoren riskieren, vor Publikum und live übertragen, literarisch zerzaust zu werden.

Wie jedes Jahr werden 400 akkreditierte Journalisten und Verlagsvertreter in Klagenfurt nicht nur der Literatur, sondern auch den außerliterarischen Vorzügen der Gegend samt eventueller Sonne, Saibling und Nachtaktivität frönen. Für die Zuhausegebliebenen überträgt 3sat die viertägige Literaturshow, bei der es am Sonntag um insgesamt 56.400 Euro Preisgeld geht, mehr als 20 Stunden live. Alles also fast wie immer. Wobei heuer zum zweiten Mal sämtliche Texte auf Französisch, Italienisch, Englisch, Spanisch, Slowenisch, Tschechisch und erstmals Kroatisch übersetzt ins Internet gestellt werden und sich auch in der siebenköpfigen Jury einiges getan hat.

Zu Burkhard Spinnen, Ijoma Mangold und Alain Claude Sulzer kommen Meike Feßman, Hildegard E. Keller, die Wiener Kritikerin und Übersetzerin Karin Fleischanderl sowie der österreichische NZZ-Kulturkorrespondent Paul Jandl neu hinzu. Clarissa Stadler moderiert statt Dieter Moor, zudem wird die letztjährige Reduktion auf 14 AutorInnen beibehalten. Lesen werden neben sieben deutschen und drei Schweizer Teilnehmern auch die Österreicherinnen Linda Stift, Andrea Winkler, Caterina Satanik und der Wiener Philipp Weiss.

"Man müsste überhaupt ein Fremder sein, um einen Ort wie Klagenfurt länger als eine Stunde erträglich zu finden" , schrieb Ingeborg Bachmann in einem Brief. Mit Fremdheit und Unerträglichkeit setzt sich auch das Werk des Büchnerpreisträgers 2008, Josef Winkler, auseinander. Heute Abend wird er gleichsam als Startschuss die Klagenfurter Rede zur Literatur halten. Wenn es um die politischen Verhältnisse nicht nur Kärntens geht, hat der Klagenfurter Autor Winkler noch selten ein Blatt vor den Mund genommen. Die Eröffnung könnte explosiv werden. (Stefan Gmünder/DER STANDARD, Printausgabe, 24. 6. 2009)