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Ganzheitliche Sicht auf Sexualität steht im Mittelpunkt der Aufklärungs-Aktion von pro:woman. Das bedeutet auch, die zunehmende Pornografisierung zu thematisieren.

Foto: APA/EPA/MIKAEL LIBERT

Wien - Im Rahmen der Sommerkampagne des "pro:woman"-Ambulatoriums am Wiener Fleischmarkt werden heuer bereits zum dritten Mal 20.000 Kondome gratis und den ganzen Sommer über an junge Menschen in Wien verteilt.

Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger will man Jugendliche auf geeignete Maßnahmen zum Schutz vor ungewollten Schwangerschaften hinweisen. Es soll jedoch bewusst gemacht werden, dass Sex ohne Kondom einfach nicht passieren soll und es dabei auch um die Vermeidung von sexuell übertragbare Krankheiten und HIV geht, betont pro:woman-Leiterin Elke Graf.

Wenig Wissen über Verhütung

Das Wissen zum Thema Verhütung und Vermeidung von sexuell übertragbaren Krankheiten ist laut Graf erstaunlich gering. Es käme auch vor, dass Teenagerinnen bei der Info-Hotline von pro:woman Fragen wie "Ist das Tampon ein geeignetes Verhütungsmittel?" oder "Schützt mich Duschen nach dem Sex vor einer Schwangerschaft?" stellen. Pille und Kondom, die beiden am häufigsten verwendeten Verhütungsmittel unter Jugendlichen, seien zwar sehr wohl bekannt, aber das reale Verhütungsverhalten Jugendlicher sähe trotzdem anders aus, weiß Graf: "Es liegen Welten zwischen Theorie und Praxis. Auch wenn junge Menschen wissen, dass sie verhüten sollten, tun sie es oft nicht."

Neue Rollenbilder in der Gesellschaft

Dass sie nicht verhüten, sieht pro-woman in einem größeren Zusammenhang. Studien belegen, dass den Burschen unter 18 Jahren Pornos als Hauptinformationsquelle dienen. Dort finden sie den ersten - zumindest theoretischen - Zugang zur Sexualität. Analysiere man die Rolle der Frau im Pornofilm, werde eines schnell ersichtlich, so Graf: Die Frau im Film "funktioniert, ist immer schön und allzeit bereit". "Jungen Mädchen wird dieses Rollenbild zunehmend aufgedrängt und Idole, die Modewelt und ein großes Angebot an Schönheitsoperationen tun ihr Übriges, um Mädchen in die Welt des 'Funktionieren müssen' zu lenken. Frauen werden zunehmend instrumentalisiert, die Sexualität 'pornografisiert'", meint Graf, "bereits junge Mädchen äußern ihren Wunsch nach Verschönerung von Kopf bis Fuß, der Genitalbereich bleibt dabei nicht ausgespart". Und die Schönheitschirurgie freue sich: "Schamlippen vergrößern oder verkleinern, flacher oder wulstiger - wie frau es will, alles ist möglich."

"Stopp der Pornografisierung"

Doch auch Burschen stünden unter großem Druck, gilt es doch, so schnell wie möglich "Mann zu werden". Schneller Sex - wie im Pornofilm dargestellt - sei dann oft die Vorlage. Auch hier werden Rollen aufgedrängt, denen die Burschen jedoch nicht gerecht werden können und Erfahrung müsse oft vorgetäuscht werden, um sich ja keine Blöße zu geben. Auch Verhütung spiele da keine Rolle - "Ich hätte mich nie getraut, ihn auf die Benützung eines Kondoms hinzuweisen", zitiert Graf ein 16-jähriges ungewollt schwangeren Mädchens. Deshalb ist es Grafs Anliegen: "Stopp der Pornografisierung!" 

Aufklärung auf zeitgemäße Basis hieven

pro:woman startet die Kondom-Aktion daher direkt in der Zielgruppe und spricht junge Menschen persönlich an. Es soll aber auch diskutiert werden, dass es darum geht, die ganzheitliche Sicht auf das komplexe Thema Sexualität zu erlangen, Theorie und Praxis wieder zusammenzuführen und die emotionale Ebene einzubeziehen. Sexualpädagogik sei gefragt, um Jugendlichen notwendige Kompetenzen zu vermitteln, nicht nur auf der Wissensebene, sondern auch auf der Ebene der emotionalen Kompetenz, so Graf. Auch die Eltern wie öffentliche Institutionen im Familien- und Gesundheitsbereich seien gefordert, das System der Aufklärung "endlich auf eine nachhaltige und vor allem zeitgemäße Basis" zu stellen. Pädagogische Ansätze, die auch die Diskussion über die Bereiche Partnerschaft, Geschlechterrollenverteilung und sexuelle Verantwortung ermöglichen, müssten dringend entwickelt werden: "Wir stehen vor der Entscheidung, Teenagerschwangerschaften entweder weiterhin zu bejammern, oder Jugendliche darin zu unterstützen, in diesem Punkt kompetente Unterstützung zu erhalten", so Graf abschließend. (pte/red)