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Am Sonntag wählen drei Millionen Albaner ein neues Parlament.

Foto: REUTERS/Arben Celi (ALBANIA ELECTIONS POLITICS)

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Sali Berisha, amtierender Premierminister und Spitzenkandidat der Demokratischen Partei (PD), bei einem Wahlkampfauftritt in Tirana.

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Edi Rama ist Bürgermeister von Tirana und Spitzenkandidat der Sozialisten (PS).

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Quelle: APA

In Albanien sind seit 07.00 Uhr die Abstimmungslokale für die Parlamentswahl geöffnet. Der Urnengang gilt erneut als wichtiger Test für die demokratische Reife des Balkan-Landes, das heuer - 18 Jahre nach dem Ende des Kommunismus - in die NATO aufgenommen wurde und den EU-Kandidatenstatus beantragt hat. 5.000 einheimische und 450 internationale Beobachter überprüfen laut aktualisierten Angaben der Zentralen Wahlkommission (KQZ) in Tirana an Ort und Stelle, ob die Wahl entsprechend den Regeln über die Bühne geht. Wahlschluss ist um 19.00 Uhr. Erste Ergebnisse sollen laut Auskunft der Wahlkommission in der Nacht auf Montag veröffentlicht werden.

Knappes Rennen prognostiziert

 

Drei Millionen Albaner sind bei den Parlamentswahlen berechtigt ihre Stimme abzugeben. Um den Sieg rittern die Mitte-Rechts-Koalition "Allianz für den Wandel" unter Führung des amtierenden Ministerpräsidenten der Demokratischen Partei (Partia Demokratike - PD), Sali Berisha, und die von den Sozialisten (Partia Socialiste - PS) angeführte "Union für den Wandel" unter Edi Rama.

Das Rennen könnte knapp werden. Nach einer aktuellen Umfrage von Zogby International kommen die regierenden Demokraten auf rund 40 Prozent, die Sozialisten erreichen 38 Prozent. Beide treten allerdings in einer Koalition mit anderen Parteien an und kommen so auf jeweils insgesamt 42 Prozent der Stimmen.

Wahl unter Beobachtung

Für die internationale Gemeinschaft ist weniger der Ausgang der Wahl, als deren Ablauf von Interesse. Mit einem möglichst reibungslosen Wahlgang könnte Albanien seine Europareife unter Beweis stellen. Um das zu überprüfen, werden insgesamt 450 internationale Beobachter im Einsatz sein.

Und diese könnten einiges zu berichten haben: Die Wahllisten sind zum Teil falsch und unvollständig. Wahlberechtigte ohne Pass müssen sich mit einem neuen Personalausweis im Wahllokal identifizieren. Das Problem: Noch hat nicht jeder, der einen bräuchte, einen solchen Ausweis - behauptet die Oppositon. Die Regierung dementiert das freilich.

EU-Beitritt als Ziel

Inhaltlich ist die Wahl wenig spannend: Ideologische Unterschiede zwischen den Parteien sind kaum auszumachen. Über die außenpolitische Linie besteht ohnehin parteiübergreifend Einigkeit. Ziel ist die Annäherung an Westeuropa. Der erste diesbezügliche Erfolg ist der Beitritt zur NATO mit 1. April dieses Jahres. Ende April hat Tirana auch einen Aufnahmeantrag nach Brüssel geschickt. Dort war die Freude eher verhalten. Der schwedische Außenminister Carl Bildt sagte bei der Präsentation der Schwerpunkte während des schwedischen EU-Vorsitzes, dass zunächst die Wahlen abgewartet werden müssten. Den Status eines Beitrittskandidaten werde Albanien aber aller Voraussicht nicht vor 2010 erhalten.

Wer ist der bessere Populist?

Den Wahlkampf dominieren populistische Aussagen. Wer garantiert höhere Pensionen? Wer verspricht die bessere Lösung für die nicht funktionierende Stromversorgung? Wer stellt sich als besserer Kämpfer gegen die Korruption dar? Der Wahlkampf spitzt sich auf eine Auseinandersetzung zwischen den Spitzenkandidaten der beiden größten Parteien zu.

Noch hat die internationale Wirtschaftskrise noch nicht vollständig auf Albanien durchgeschlagen. Dennoch, die Arbeitslosigkeit liegt nach Angaben des CIA-World-Factbook offiziell bei 12,5 Prozent. Das Wirtschaftswachstum von sechs Prozent im vergangenen Jahr sinkt heuer auf voraussichtlich 0,4 Prozent. Das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt bei rund 2.500 Euro - ein Zehntel des europäischen Durchschnitts.

Politische Haudegen als Spitzenkandidaten

Der 64-jährige Berisha von der Demokratischen Partei ist kein Unbekannter auf der politischen Bühne Albaniens. Er war schon einmal Präsident: Der Zusammenbruch des pyramidenartigen Geldanlagensystems brachte das Land 1997 an den Rand eines Bürgerkriegs. Die Mehrheit der Albaner hatten in der Hoffnung auf große Gewinne ihr Geld in diesen Systemen veranlagt - und verloren. Die Wut auf das politische System, das dies zuließ und auch davon profitierte, war groß. Berisha musste zurücktreten. 2005 wurden die Demokraten wieder an die Staatsspitze gewählt. Die Wahl gewann Berisha indem er als Kämpfer gegen die Korruption auftrat. Mittlerweile hat seine weiße Weste aber einige Flecken abbekommen: Beim Bau einer Autobahn durch das gesamte Land sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen und seine Kinder werden mit Waffenhandel und Geldwäsche in Verbindung gebracht.

Auch Berishas Konkurrent von den Sozialdemokraten, Edi Rama, ist politisch kein unbeschriebenes Blatt. Der 44-Jährige Künstler, der auch einige Jahre in Paris lebte, ist seit 2000 Bürgermeister von Tirana. In dieser Funktion ließ er illegal errichtete Bauwerke schleifen und verordnete der rund 750.000 Einwohner zählenden Hauptsstadt eine farbliche Frischekur, indem er den alten grauen Häuserblöcken einen farbenfrohen Anstrich verpasste. Zugegeben, das ist keine inhaltliche Erneuerung, aber in Ermangelung finanzieller Mittel für die Sanierung der Häuser ist auch ein bunter Anstrich eine positive Veränderung - zumindest verändert es die Wahrnehmung der Stadt zum Besseren.

"Camorra-ähnliche Oligarchen-Kaste"

Der unabhängige Kommentator Fatos Lubonja sieht Albanien fest in den Händen einer "camorra-ähnlichen Oligarchen-Kaste", die - durch Privatisierungen reich geworden - nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Medien weitgehend kontrolliere. Berisha und der Hauptstadt-Bürgermeister Rama schanzten den Oligarchen ihres Lagers staatliche Gelder und Aufträge zu. Nachdem der Wohnungsbau nicht mehr so lukrativ ist, forciert der Regierungschef nun den Bau von Kraftwerken aller Art, um Albanien zu einem regionalen Energieversorgungszentrum zu machen - und zugleich seinen Günstlingen ein neues Tätigkeitsfeld zu bieten.

Rama wirbt zwar mit "Wandel", mit der Freunderlwirtschaft will er aber offenbar nicht aufräumen. Immerhin ist er einer der wenigen führenden Politiker, der schon einer neuen Generation angehört. Der frühere Maler inszenierte sich im Wahlkampf als Hip-Hopper, um bei der Jugend anzukommen. Seine aus den Kommunisten hervorgegangene Partei hatte bisher vor allem traditionelle Unterstützer.

Den Wahlkampf überschatten drei Todesfälle: Ein Streit über Wahlplakte dürfte der Auslöser für den Mord an einem Aktivisten der regierenden Demokraten gewesen sein. Der Täter ist in Haft. Die Umstände des Todes eines sozialistischen Abgeordneten und eines Regionalchefs der Christdemokraten ist weiterhin ungeklärt. Am Freitag wurde ein 27-Jähriger nahe Lezha schwer am Kopf verletzt, als jemand bei einer Veranstaltung der Demokraten eine Flagge der Sozialisten in die Höhe hielt, und ein Streit unter mehreren Personen darüber entbrannte. Wie die Zeitung "Shekulli" berichtete, musste der 27-Jährige ins Spital gebracht werden. (red, APA, derStandard.at, 24.6.2009)