Bern - "Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr!" So gelobten es die Eidgenossen aus Uri, Schwyz und Unterwalden auf dem Rütli anno 1291, wenn man Friedrich Schillers Drama von Wilhelm Tell wortwörtlich nehmen will. Doch mit der brüderlichen Einigkeit in der Keimzelle der Schweiz ist es derzeit nicht weit her: Im Kampf um Investoren und gute Steuerzahler kämpfen die Kantone der Urschweiz derzeit heftig gegeneinander und auch gegen den Bund und seine Behörden in Bern.

Der Kanton Schwyz buhlt seit Jahren erfolgreich um die Erfolgreichen - entsprechend sieht man in einigen Ortsteilen im steuergünstigen Kanton statt gewöhnlicher Haustüren breite Garagen-Einfahrten und fühlt sich an die "gated communities" der USA erinnert, wo Reiche hinter Mauern unter ihresgleichen leben und die Normalverdiener außen vor bleiben. Multimilliardäre wie Klaus-Michael Kühne, August von Finck oder Stephan Schmidheiny residieren ebenso im Kanton Schwyz wie der ehemalige UBS-Bankchef Marcel Ospel, sein Nachfolger Oswald Grübel und Spitzensportler wie Roger Federer und Martina Hingis.

Doch die anderen Urschweizer Kantone holen auf: In Uri residiert zwar keiner der 300 Superreichen, die das Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz Jahr für Jahr auflistet; doch mit dem Luxus-Ferienresort in Andermatt, das der ägyptische Investor Samih Sawiris derzeit baut, sollte sich dies ändern. Und auch die beiden Unterwaldner Halbkantone, Ob- und Nidwalden, setzen auf Standort-Attraktivität, worunter sie nicht nur die Sicht auf blaue Seen und grüne Hügel verstehen, sondern auch einen möglichst tiefen Steuersatz. Obwalden versuchte es gar mit einem degressiven Steuersystem, wurde aber von den Bundesbehörden zurückgepfiffen: Dass die Reichsten a prozentual weniger Steuern zahlen müssen als ein etwas weniger Vermögende, sei verfassungswidrig. Daraufhin führte Obwalden vor einem Jahr eine Flat-Rate-Tax ein - also einen gleichbleibenden Steuersatz. Uri hat mittlerweile nachgezogen, und auch andere Kantone prüfen einen Wechsel.

In Obwalden ließ man sich auch ein neues Baugesetz einfallen, um im Rennen zu bleiben: Es ermöglicht, "Zonen mit hoher Wohnqualität". In diesen Sonderzonen, außerhalb der regulären Bauzonen und an besonders attraktiven Wohnlagen, dürften nur außerordentlich gute Steuerzahler oder finanzkräftige Investoren bauen.

Widerstand formiert sich

Neu ist es nicht, dass sich nur die Reichen und Schönen Villen an aussichtsreicher Lage leisten können. Was an den Obwaldner Plänen viele stört, ist die rechtliche Sonder-, will heißen: Besserstellung der ohnehin schon Gutsituierten. Gegen diese Sonderrechte sammelten die Oberwaldner Grünen innert Kürze Unterschriften, so dass es nun im Herbst zur Volksabstimmung kommen wird.

Widerstand kam auch vom Schweizer Umweltminister Moritz Leuenberger. Er kritisierte in seinem Blog unter dem Titel "Schöne Aussichten für Reiche" die Sonderzonen als "definitive Karikatur des Steuerwettbewerbes". Dass der Staat per Baugesetz Land reserviere "für Menschen, die einen volkswirtschaftlichen Nutzen bringen, ist nichts anderes als Apartheid. Der Staat definiert, welche Menschen nützlich sind und worin dieser Nutzen besteht. Ist denn ein Autorennfahrer so viel nützlicher als eine Krankenschwester?" (Klaus Bonanomi aus Bern, DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2009)