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Präsident Sarkozy durchschreitet die Garde in Versailles

Foto: AP/Tessier

Revolutionäres ereignete sich im Königsschloss: Nach einer Verfassungsreform von 2008 benützte Präsident Sarkozy am Montag erstmals sein neues Recht, vor die 920 Abgeordneten von Nationalversammlung und Senat zu treten, um ihnen seine politischen Ideen darzulegen.

Deren Inhalt war weniger revolutionär. Aus dem Tour d'horizon über die Wirtschaftskrise und die damit verbundenen Chancen und Haushaltdefizite stach einzig die Ankündigung hervor, dass der Präsident keine Steuern erhöhen will; vielmehr gedenkt er mit einer großen Publikumsanleihe Geld in die Staatskassen zu spülen. Für Mittwoch kündigte er eine seit langem erwartete Regierungsumbildung an. Schließlich sprach er sich auch für eine Parlamentsdebatte über die öffentliche Ganzkörper-Verschleierung von Musliminnen durch die Burka aus.

Sarkozy verließ den Kongresssaal und Versailles gleich danach. Die Sprecher der einzelnen Parteien, die im Anschluss daran das Wort ergreifen durften, redeten damit ins Leere. Oder gar nicht: Aus Protest gegen die "monarchische Vereinnahmung" verließen die Sozialisten den Saal gleich nach Sarkozys Rede, also noch vor der Debatte. Bei einer Pressekonferenz kritisierte der sozialistische Fraktionssprecher Jean-Marc Ayrault, Sarkozy stelle "das Staatssystem an sich in Frage" . Die Kommunisten und die Grünen blieben Sarkozys Auftritt ganz fern; sie wollten nicht als bloße "Applaudierer des Präsidenten" herhalten, meinten sie. Sie prangerten auch den Aufwand für die präsidiale Rede an. Die Kosten betrugen 400.000 Euro, obwohl die Parlamentarier für das Mittagessen selber aufkommen mussten. Das Budget des Elysée-Palast war hingegen 2008 sieben Mal stärker gestiegen als die Staatsausgaben, wie ein sozialistischer Abgeordneter ausgerechnet hatte.

Politisches Hoch

Pressekommentatoren in Paris meinten, Sarkozy wolle mit dem Parlamentsauftritt wohl sein politisches Hoch nach dem guten Abschneiden bei den EU-Wahlen ausnützen und verstärken. Die Präsenz von Carla Bruni-Sarkozy im Kongresssaal in Versailles unterstrich noch den medialen Charakter der präsidialen Strategie; gewiss nicht von ungefähr zoomten die TV-Kameras häufiger auf die Präsidentengattin als auf Premierminister Fillon. Auffällig auch, wie agil Sarkozy zwischen dem republikanischen Pomp und seinen Internet-Aktivitäten wechselt: Auf Facebook berichtet er seinen Fans derzeit über sein Rendez-vous mit dem US-Filmregisseur Woody Allen. Ob dessen nächste Filmkomödie im Elysée spielen wird? (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 23.6.2009)