Kicker als Krisengewinnler: 23 Prozent stiegen die Gagen der Premier League Fußballer im Krisenjahr 2008 - im Durchschnitt. Neuestes zum zweiten Akt des Dramas um die Helden der kleinen Männer*:

1. Manchester United geht nicht pleite: Statt dem mehrfach insolventen weltgrößten Versicherungspleitier der Wirtschaftsgeschichte, AIG, die vom US-Steuerzahler gerettet werden musste, wird der US-Versicherer Aon Trikot-Sponsor. Für vier Saisonen um je 116 Millionen Euro statt bisher 60 Millionen € jährlich für die "Red Devils" im "Old Trafford".

2. Hatte der Verkauf der TV-Rechte (überwiegend an asiatische Kanäle) der Premier League 2007/08 noch 2,28 Milliarden eingespielt, werden 2010 bis 2013 nur mehr zwei Milliarden erwartet. Dennoch geht der globale Söldner-Zirkus heißer weiter.

3. Die Deloitte-Studie zur finanziellen Gesundheit europäischer Clubs zeigt eine 3,6 Milliarden gewaltige Überschuldung und eine fast unglaubliche Einkommensexplosion aller Spieler (nicht nur der Stars) inmitten der Weltwirtschaftskrise - eine Gagenhyperinflation, als wären Immobilien-, Aktien- und Rohstoffblasen nie geplatzt. So zahlte die Premier League mit 1,38 Milliarden Euro um 23 Prozent mehr als im Vorjahr - die "großen Fünf" Ligen 4,8 Milliarden € an Gagen, Chelsea etwa 81 Prozent der Einkünfte. Bis jetzt hat die dramatische "Verarmung" von Sponsoren wie Roman Abramowitsch (lt. Forbes 20 Milliarden Dollar Verluste 2008 gegen 860 Millionen € Investitionen in Chelsea seit 2004) kaum durchgeschlagen (der Transfer von Kaká von AC Milan zu Real Madrid um 68 Millionen € am Tag nach seinem angekündigten Kauf durch Chelsea als Gegenbeweis?).

4. Der begnadete Christiano Ronaldo wird sich weder durch den Abbau von Steuerprivilegien über 150.000 Pfund Jahresgage von Premier Brown in die Wadeln zwicken lassen (er sollte lt. FT ab 2010 zumindest 775.000 € oder 19 Prozent mehr Steuern zahlen ), noch die Dreiviertel Million Steuern von ManU als Nettobezug zurückfordern und den Club ins Out treiben. 0,75 Millionen € mehr Steuern bei einem Jahreseinkommen von 7,5 - 18,3 Millionen € wären freilich Peanuts gewesen gegenüber dem eingetretenen Wechselkursverlust aus dem Finanzcrash (Abwertung des Pfund gegenüber dem Euro), der Ronaldo mindestens sechs Millionen Euro gekostet haben dürfte. Höchste Zeit für den Portugiesen, zurück in die stabile Eurozone zu wechseln, damit sich Kicken wieder lohnt. Beim reichenfreundlicheren Real Madrid bleibt ihm nun doch genug zum Leben und Beißen - und ManU wird 93 Millionen € Transfergeld in die mit 660 Millionen € verschuldeten Kassen gespült.

Weil es aber auf einen Ronaldo hunderte ganz gewöhnliche Erstligakicker der zweiten und dritten Reihe hinter den Ballerinen gibt, die am Kontinent kaum wer kennt oder gar kaufen will oder kann, müssen diese armen, fast namenlosen kleinen Lichter, die im Mittel "bloß" 50.000 bis 70.000 Pfund wöchentlich (!) verdienen, künftig mit dem schwachen Pfund leben, rundd 320.000 Pfund mehr Steuern im Jahr abliefern - oder höhere Bezüge bzw. Nettoverdienstverträge gegen diesen Aderlass begehren, um bis zu einer Million Euro Einkommensgewinn aus der Krise zu retten. Wie lange werden die Klubs sich das trotz großmütigster Mäzene noch leisten wollen oder können -- ohne selbst in die Krise zu geraten? (Bernd Marin/DER STANDARD, Printausgabe, 23.6.2009)