Wien - Aus der Distanz sehen manche Dinge offenbar ganz anders aus, als man gemeinhin annimmt. Und sie hören sich auch anders an. Die Rede ist von der "Schweigsamen Frau", der elften Oper von Richard Strauss, die am Donnerstag an der Staatsoper nicht eben eine umwerfende, insgesamt aber doch passable Wiederaufnahme erlebte.

Denn alles, was man gegen die Musik von Strauss - teils sehr unsachlich - vorbringen kann, wird durch dieses Werk einigermaßen legitimiert. In diesem vor literarischer Ambition und verbalen Pointen strotzenden Text von Stefan Zweig vermochte Strauss keine einzige wirklich fesselnde Melodie und keinen sonstigen zündenden musikalischen Gedanken unterzubringen. Das Ergebnis ist eine über-instrumentierte Buffo-Oper, die sich mit lautmalerischen Minieffekten oder flüchtigen Imitationen historischer Stile begnügt.

Peter Schneider als Dirigent und auch das Staatsopernorchester bringen die Erfahrung und den Elan mit, diese dickflüssige Musik zu entwirren und in rasch wechselnde Instrumentalszenen zu verwandeln, die mit der Szene größtenteils harmonieren. Diese beherrscht in Marc Arturo Marellis Inszenierung voll und ganz Kurt Rydl als lärmempfindlicher Griesgram Sir Morosus, der unter der bestens deklamierten Geschwätzigkeit seines Haushälterin (Janina Baechle) so sehr leidet, dass er sich zur Ehe mit der schweigsamen Aminta entschließt.

Doch Jane Archibalds Sopran ist für diese Partie einfach zu wenig elastisch. Die Töne waren überhaupt nur teilweise hörbar, am ehesten in den Kantilenen gegen Schluss. Dafür freute man sich über Adrian Eröd, der sympathisch elegant erstmals den Barbier sang, und wieder über Michael Schade als Henry Morosus mit seidigem Tenor. Das Publikum quittierte das Ergebnis maßvoll enthusiastisch. (Peter Vujica, DER STANDARD/Printausgabe, 20./21.06.2009)