Waldheim-Pferd meets Botschaft der besorgten Bürger gegen Schwarzblau: Aktivisten der Zivilgesellschaft entlarven Österreichs Umgang mit dem NS-Erbe, scheitern aber im kampf gegen Rechts.

Foto: Christian Fischer

Wien - Er ist wieder dabei. Wie so oft, wenn die vielzitierte "Zivilgesellschaft" in Österreich das Wort ergreift. Um gegen "rechte Hetze" zu protestieren, hatten die Studentinnen Romy Grasgruber und Maria Sofaly am Donnerstagabend eine Lichterkette ums Parlament organisiert und als Redner auch Doron Rabinovici eingeladen. Natürlich, könnte man fast sagen.

Der Schriftsteller war schon in den Achtzigern aktiv, als sich der Republikanische Club formierte. Vordergründig ging es gegen Präsident Kurt Waldheim, der sich nicht an seine Kriegskarriere erinnern wollte, im Kern aber gegen die gängige Verdrängung der NS-Vergangenheit. Mit "Spaßguerilla" -Taktik machten die Aktivisten Furore, Prunkstück war ein großes Holzpferd, das auf die von Waldheim zunächst geleugnete Mitgliedschaft bei einer SA-Reiterstaffel anspielte. "Wo immer wir mit dem Pferd aufgetaucht sind, haben Waldheim und seine Leute Reißaus genommen" , erzählt Rabinovici. Doch Weglaufen war nicht mehr drinnen. Bald diskutierte das ganz Land öffentlich, was die "Republikaner" gefordert hatten: Den Umgang mit dem eigenen Nazi-Erbe.

Vom Anti-Ausländer-Volksbegehren...

Der Protest wurde in der Form ernster, aber nicht unbedingt politischer: Das Lichtermeer von 1993 gegen das Anti-Ausländer-Volksbegehren der FPÖ, mit 300.000 Teilnehmern die größte Demo der zweiten Republik, hat Rabinovici eher als "Event" in Erinnerung. Die Organisatoren von "SOS-Mitmensch" forderten (faire) "Gesetze statt Hetze" , stießen bei den Regierenden letztlich aber auf taube Ohren. Auch rote Innenminister bauten neue Schikanen für Ausländer, ehe im Jahr 2000 der Worst Case eintrat: Die FPÖ Jörg Haiders kam in die Regierung, wo sie in der Mutation des BZÖ bis 2007 blieb.

... bis zum Protest gegen Schwarz-Blau

Daran änderte auch die "Demokratische Offensive" nichts, die im Wendejahr bis zu 250.000 Menschen gegen Schwarz-Blau auf die Straße brachte. War der Protest also vergeblich? Nein, sagt Rabinovici: Jene, die gegen Rassismus auftreten, hätten gelernt, nicht nur für, sondern gemeinsam mit den Diskriminierten zu sprechen. Und auch wenn die Gegenbewegung gerne größer sein könnte: "Ein stärkeres Bewusstsein gegen rassistischen Populismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus haben wir schon geschaffen."

Der damalige "zivilgesellschaftliche Aufbruch" habe durchaus Schule gemacht, meint Kurt Wendt, der anno 2000 die Donnerstagsdemos mitorganisierte. Seither hätten sich immer wieder autonome Initiativen auf die Beine gestellt, die auf traditionelle Organisation verzichten, aber via Internet gut vernetzt und kaum zu kontrollieren sind. Beispiel: der blitzartige Protest gegen das Trinkverbot im Wiener Museumsquartier.

Die Lichterkette findet Wendt nur im Prinzip gut, denn: "Fackeln sind mehr eine faschistische Tradition." Deshalb fehlt er aber nicht auf der Demo, gibt er zu: Er wolle "einfach lieber baden im Gänsehäufel." (Gerald John/DER STANDARD-Printausgabe, 19. Juni 2009)