Ziemlich genau ein Jahr nach Firefox 3.0 steht nun die nächste Generation des freien Webbrowsers vor der Veröffentlichung. Den zweiten Release Candidate für Firefox 3.5 gibt es bereits, die fertige Version soll noch vor Ende Juni erscheinen - so zumindest die Hoffnung darauf, dass keine schwerwiegenden Probleme mehr gefunden werden.

Pläne

Den einst anvisierten Veröffentlichungszeitraum Ende 2008 / Anfang 2009 konnte man damit zwar nicht halten, dafür bekommen die BenutzerInnen aber so manches Feature spendiert, das anfänglich noch nicht auf dem Plan stand. Gesteigerte Ambitionen, aus denen sich eine gewisse Versionsnummerninflation ableiten lässt, ursprünglich wollte man sich ja noch mit der Benennung als "Firefox 3.1" zufrieden geben.

Features

Für die BenutzerInnen der Software sind solche Marketing-Spielchen spätestens nach dem Download aber wohl ohnehin nebensächlich, also sollen in Folge andere Fragen im Vordergrund stehen: Nämlich jene, welche Neuerungen Firefox 3.5 so mit sich bringt und wie sich die Software im Vergleich zur aktuellen Konkurrenz im Browser-Markt schlägt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Nichts weniger als ein "Upgrade für das Web" will der Firefox 3.5 sein, so die vom Mozilla-Projekt zur neuen Release ausgegeben Parole. Was man sich darunter vorzustellen hat? Vor allem weitere Verbesserungen an der Rendering Engine Gecko, die den Web-EntwicklerInnen ganz neue Möglichkeiten an die Hand geben sollen.

Video

Allen voran wohl der HTML5-Audio/Video-Support: Damit lassen sich etwa über den Video-Tag Filme direkt in eine Webseite einbinden, der bislang gebräuchliche Umweg über das Flash-Plugin wird unnötig. Dieser Ansatz bietet eine Reihe von Vorteilen, so lässt sich ein solches Video dann wie jedes andere Objekt einer Webseite auch per HTML und CSS manipulieren.

Eingebettet

Was das bedeutet, zeigt Mozilla anhand einiger Demos: So ist es etwa möglich ein Video in eine Grafik einzubetten und rotieren zu lassen. Nachbearbeitungseffekte sind ebenso in wenigen Code-Zeilen zu erledigen wie die Verschachtelung von Videos ineinander.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Doch damit sind die Möglichkeiten bei weitem noch nicht zu Ende, wie ein anderes Beispiel zeigt, lässt sich der Video-Inhalt auch analysieren und die Umgebung entsprechend anpassen. Dies reicht vom simplen "Ambient"-Rahmen rund ums Video, der je nach Inhalt seine Farbe anpasst bis zu weitergehenden Inhaltsanalysen, selbst eine einfache Personenerkennung führt man vor.

Freiheit

HTML5-Video-Support gibt es zwar schon bisher in diversen Webkit-basierten Browsern wie Apples Safari, was den Firefox allerdings abhebt ist, dass hier mit Ogg Theora auch gleich das passende freie Video-Codec mitgeliefert wird. Auf diese Weise müssen die BenutzerInnen keinerlei zusätzliche Software mehr installieren - und brauchen keine proprietären Codecs.

Abwarten

Ob sich der Video-Support auch tatsächlich durchsetzen kann, hängt vor allem von zwei Faktoren ab. Da wäre einmal die Unterstützung durch große Video-Seiten wie Youtube, dass diese dem Thema nicht gänzlich abgeneigt sind, hat sich in den letzten Wochen bereits herauskristallisiert. Zusätzlich fehlt aber auch noch immer die Einigung auf ein gemeinsames Codec, derzeit diskutieren die diversen Hersteller gerade heftig über Vor- und Nachteile von Theora.

Audio

Neben Video gibt es in HTML5 aber auch einen Audio-Tag, als Format wird dabei .wav von Haus aus unterstützt. Damit lässt sich etwa ein Online-Audio-Player in wenigen Zeilen HTML/CSS schreiben.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Was im Smartphone-Bereich immer mehr zur Standard-Ausstattung wird, soll nun auch den Desktop erobern: Geolokalisierung heißt jenes Stichwort, das sich ebenfalls prominent auf der Liste der neuen Features von Firefox 3.5 findet.

Lokalisierung

Über eigene Programmierschnittstellen werden diese Möglichkeiten künftig Webseiten zur Verfügung stehen, um den BenutzerInnen ortsabhängige Services anbieten zu können. Damit können dann etwa Sehenswürdigkeiten im Umkreis des aktuellen Aufenthaltsorts angezeigt werden, doch auch der Weg zu nächstbesten Pizzeria lässt sich dann recht komfortabel eruieren.

Quelle

Die Lokalisierung erfolgt dabei über zwei Quellen: Während die Ortung mithilfe von WLAN-Netzen vor allem in der Stadt recht exakte Ergebnisse liefert, lässt die IP-Adressenausforschung im besten Fall ein Städtezuordnung zu.

Privacy

Ein Thema, das natürlich auch immer mit gewissen Privacy-Problematiken verbunden ist, entsprechend überträgt der Browser von Haus keinerlei Informationen über den eigenen Aufenthaltsort. Der Übertragung entsprechender Daten muss explizit zugestimmt werden, und dies für jede Webpage, die diese nutzen will.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Was böse Zungen den "Porno-Modus" bei Safari, Google Chrome und Internet Explorer 8 nennen, dem darf sich natürlich auch der Firefox nicht verschließen. Mit der neuen Release bringt der Open Source-Browser einen "Private Browsing"-Modus.

Vergesslich

In diesem werden keinerlei Daten fix gespeichert, weder landen besuchte Seiten in der History, noch werden Cookies dauerhaft angenommen oder Passwörter abgespeichert. Selbst Downloads werden umgehend aus der Liste gestrichen, Formulareingaben bleiben ebenfalls einmalig.

Ablauf

Umgesetzt ist das Ganze so, dass der gesamte Browser in den entsprechenden Modus versetzt wird, offene Seiten werden geschlossen, statt dessen gibt es ein neues Fenster, das in der Titelzeile deutlich mit "Private Browsing" markiert ist. Über das Tools-Menü kann dieser Modus wieder verlassen werden, der Browser öffnet dann automatisch die vor Beginn der Privat-Session geöffneten Seiten erneut.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Damit einher geht auch eine Überarbeitung der Privacy-Einstellungen. Diese präsentieren sich nun wesentlich übersichtlicher, wer will kann aber auch fein graduiert einstellen, was alles gespeichert werden darf - und was eben nicht.

Immer privat

Eine durchaus interessante Möglichkeit für besonders vorsichtige ZeitgenossInnen ist, den Browser praktisch zur Gänze in den "Private Browsing"-Modus zu versetzen. Um dies zu erreichen muss die entsprechende Einstellung einfach auf "Never remember History" angepasst werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Mit Firefox 3.0 wurde der "Awesomebar" eingeführt, der die Möglichkeiten der einst recht eindimensionalen URL-Zeile erheblich erweitert hat. Mit der neuen Release bekommt dieser nun nicht nur weitere Performance-Optimierungen sondern auch einige zusätzliche Optionen für Power-UserInnen.

Einschränkungen

So kann die Suche über die Eingabe von Keywords erheblich eingeschränkt werden. Ein vorgestelltes @ zeigt dann etwa nur Ergebnisse an, die den folgenden Begriff in der URL enthalten. # tut das gleiche für den Titel, * schränkt die Suche auf Bookmarks ein, ^ auf die History und + auf mit Tags versehene Seiten.

Kombination

All das lässt sich natürlich auch miteinander kombinieren, so dass geübte UserInnen über wenige Stichworte schnell die richtige Seite aufspüren können. In den Einstellungen lässt sich nun außerdem auch festlegen, was der Awesomebar alles von Haus aus an Quellen heranzieht. Jene die die erweiterte URL-Zeile gar nicht mögen, können das Durchsuchen von Bookmarks und History dabei auch zur Gänze abdrehen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ein Thema, das den Firefox einst stark vom Internet Explorer abgehoben hat, ist das Tabbed Browsing: Mit der neuen Release betreibt man hier vornehmlich Feinschliff.

Herumschaufeln

So lassen sich Tabs nun auch aus einem Fenster herauslösen und separat öffnen, auch das Verschieben eines Tabs zwischen zwei Fenstern ist nun möglich. Überhaupt wird beim Drag & Drop eines Tabs nun eine Miniaturansicht der betreffenden Seite dargestellt.

Rückzug

Der Tab-Bereich ist aber auch jener, bei dem man im Entwicklungszyklus die stärksten Rückzieher gemacht hat. So wollte man eigentlich eine Tab-Vorschau etablieren, wie sie auch bei einigen anderen Browsern zum Einsatz kommt. Nach Kritik aus der Community hat man das Ganze aber wieder zurückgezogen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ebenfalls - noch - nichts geworden ist es mit einer angereicherten "Neue-Tabs"-Seite. Wo Google Chrome und Co. Infos über zuletzt besuchte Seiten und Bookmarks bieten, bleibt beim Firefox der Platz weiter ungenutzt. Zwar hat man einige Design-Studien durchgeführt, bis zu letzt konnten diese aber auch aus Performance-Hinsicht nicht wirklich überzeugen.

Verlauf

Eine nette Kleinigkeit versteckt sich im History-Menü: Nachdem schon bisher die Möglichkeit bestand, geschlossene Tabs wieder herzustellen, lässt sich dies nun auch mit ganzen Fenstern durchführen.

Farben

Etwas versteckt hat man bereits mit Firefox 3.0 eine Möglichkeit zur Farbkorrektur für Bilder eingestellt. Mit der neuen Release wird dies nun wirlich schlagend, alle Bilder, die entsprechend getagget sind, werden automatisch angepasst.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ebenfalls weiter verbessert wurde die "Session Restore"-Funktion: Sollte der Browser einmal crashen, bot diese schon bisher die Wiederherstellung der alten Sitzung an. Mit Firefox 3.5 lassen sich aber nun auch gezielt einzelne Seiten vom erneuten Öffnen ausnehmen - Sehr nützlich, zum zu verhindern, dass eine Webpage den Browser kontinuierlich in den Abgrund reißt.

Unterbau

Wie schon in vergangenen Releases befindet sich aber auch mit Firefox 3.5 so manch wirklich zentrales Highlight nicht beim Interface der Anwendung, sondern in Bereichen, die nicht auf den ersten Blick sichtbar sind. So hat man etwa mit einer neuen Version der Rendering Engine Gecko die Unterstützung für Webstandards erheblich ausgebaut.

Offline

Neben dem bereits zuvor erwähnten Audio/Video-Support bietet der neue Firefox jetzt auch Unterstützung für HTML5-Offline-Storage, mit dem Online-Anwendungen Daten lokal speichern können.  Neue Möglichkeiten gibt es im Zusammenhang mit der Vektorgrafiktechnologie SVG, so kann diese nun benutzt werden um Effekte auf HTML-Content anzuwenden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Neue Funktionen für das Layout einer Webseite ergeben sich aus der erheblich aufpolierten Unterstützung für CSS 2.1 / 3. Dazu gehört, dass sich über @font-face externe Schriften direkt in eine Page einbinden lassen, auch Schatteneffekte werden nun korrekt dargestellt.

Ausprobiert

In Tests schlägt sich das so nieder, dass der Firefox den Selector-Test von css3.info mittlerweile fehlerfrei besteht, beim populären ACID3-Test erzielt Firefox 3.5 93 von 100 Punkte (zum Vergleich: Der Firefox 3.0.x erreicht 72 Punkte). Erwähnt sei an dieser Stelle aber auch, dass die meisten anderen Browser hier bereits die volle Punktzahl erreichen, die Ausnahme bildet dabei der Internet Explorer, der auch mit der Version 8 weiterhin das Schlusslicht bei der Unterstützung aktueller Webstandards bildet.

Speed

Einen weiteren Schwerpunkt der Entwicklung von Firefox 3.5 stellte der Bereich Performance dar. So können Online-Anwendungen über die Web Worker Threads (DOM Workers) nun in mehreren Threads parallel laufen, was erheblich Speed-Zuwächse ermöglichen soll. Das allgemeine Surfen soll durch DNS Prefetching schneller werden, hier werden Nameserver-Anfragen schon vor dem Anklicken eines Links vorgenommen. Von der üblicherweise bei so einer Anfrage entstehenden Verzögerung merken die BenutzerInnen also nichts mehr, wenn sie dann tatsächlich einen der Links anklicken.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Über "Speculative Parsing" soll das Seiten-Rendering allgemein flotter geworden sein, über Plattform-spezifische Verbesserungen dürfen sich außerdem Linux-BenutzerInnen freuen. So soll hier vor allem die Schriftendarstellung erheblich beschleunigt worden sein, eine Maßnahme aus der laut den EntwicklerInnen gleichzeitig ein niedrigerer Speicherverbrauch resultiert.

Javascript

Den Kern der Performance-Optimierungen stellt aber wohl die Aufnahme der neuen Javascript-Engine Tracemonkey dar: Mit Hilfe eines Just-in-Time-Compilers soll diese erhebliche Beschleunigungen gegenüber dem Vorgänger "Spidermonkey" mit sich bringen. Ein Versprechen, das sich auch in Benchmarks niederschlägt: So weist der Sunspider-Benchmark dem Firefox 3.5 auf unserem Test-Rechner einen Wert von 2366,4 ms aus, beim Firefox 3.0 lag dieser Wert noch bei 6349,6 ms.

Vergleiche

Noch einen Tick schneller als der neue Mozilla-Browser sind allerdings die aktuellen stabilen Versionen von Google Chrome 2 (2081 ms) und Safari 4 (1.893,8 ms). Der IE8 landet hier ebenfalls recht deutlich abgeschlagen bei 10499,4 ms. Ähnliche Ergebnisse lassen sich auch mit dem V8-Benchmark von Google abbilden, wenn auch deutlich stärker zu Gunsten der Javascript-Engine von Chrome. Immerhin zeigt der Firefox 3.5 aber auch hier einen rund 50-prozentigen Geschwindigkeitszuwachs im Vergleich zur letzten Release.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Gegenüber seinem Vorgänger lockt der Firefox 3.5 also vor allem mit dem Versprechen das Web in eine etwas offenere Richtung zu pushen, weg von proprietären Technologien, hin zu freien Lösungen wie dem HTML5-Video-Support mit Hilfe von Ogg Theora. Ob das gelingt bleibt freilich abzuwarten, denn auch wenn die Marktmacht des Mozilla-Projekts mittlerweile wohl nicht mehr unterschätzt werden sollte, haben Microsoft und Co. hier noch ein kräftiges Wort mitzureden.

Fazit

Die wirklich sichtbaren neuen Änderungen an der Software halten sich hingegen dieses Mal eher in Grenzen. Das was neu hinzugekommen ist, wirkt dafür äußerst wohl durchdacht und verbessert tatsächlich den Internet-Alltag. Für die breite Masse der Firefox-BenutzerInnen ist da wohl auch eher nebensächlich, dass das Meiste zuvor schon in anderen Browsern wie Safari, Opera und Google Chrome zu sehen war.

Support

Erfreulich auch, dass das Mozilla-Projekt mittlerweile die Add-On-EntwicklerInnen vorbildlich in ihren Anpassung an eine neue Firefox-Release unterstützt, so ist der allergrößte Teil der populärsten Erweiterungen schon jetzt mit Firefox 3.5 kompatibel. Und ebenfalls nicht zu vernachlässigen: Die neue Browser-Release gibt es bereits in mehr als 70 verschiedenen Sprachen, eine deutschsprachige ist ohnehin schon seit den Anfängen mit dabei.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Unterdessen arbeitet das Projekt schon eifrig an der Entwicklung der darauf folgenden Browser-Generation, dem Firefox 4. Welche Neuigkeiten dieser dann bringen wird, ist eine Frage, über die sich derzeit erst spekulieren lässt, ein paar bekannte Eckdaten helfen aber immerhin bei der Annäherung.

Konzepte

So denkt man bei Mozilla derzeit über einen Abgang vom klassischen Tab-Konzept nach, alternative Formen der Visualisierung sollen den Umgang mit einer Vielzahl geöffneter Seiten erleichtern. Außerdem könnte auch eine modifizierte Version von Ubiquity - einer Art Anwendungsstarter für das Web - hier Einzug halten.

Verbessert

Und natürlich wird man auch bei der Basistechnologie weitere Verbesserungen vornehmen, so soll endlich auch die Kaltstartzeit von Firefox verkürzt werden. Ein Bereich, bei dem der Mozilla-Browser derzeit eine eher unrühmliche Rolle einnimmt. Javascript-Beschleunigungen stehen ohnehin immer auf der TODO-Liste, angedacht ist außerdem ein Multi-Prozess-Design, ähnlich wie es der IE8 und Google Chrome aufweisen. Dieses verbraucht zwar etwas mehr Speicher, stürzt eine Seite ab, wird im Normalfall aber nur dieses beendet und nicht gleich der ganze Browser. Abzuwarten bleibt natürlich noch, was dies Mozilla-EntwicklerInnen in den nächsten Monaten noch zusätzlich alles aus dem sprichwörtlichen Hut ziehen werden. (Andreas Proschofsky [@suka_hiroaki auf Twitter], derStandard.at, 21.06.2009)

Screenshot: Andreas Proschofsky