Brüssel - Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat vor Beginn der Beratungen der europäischen Sozialdemokratie im Vorfeld des Gipfels der 27 EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Brüssel lobende Worte für Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso gefunden. Er habe die Arbeit von Barroso "acht Monate genau verfolgt, und ich kann nicht ein Beispiel sagen, wo er sich nicht an Beschlüsse und klare politische Vorgaben des Rates oder des Parlaments gehalten hätte. Er ist ein Mann des Ausgleichs".

Natürlich gebe es immer "theoretische Diskussionen, wer könnte besser sein", sagte Faymann zur Debatte, warum nicht für die nächste Amtszeit des Kommissionspräsidenten ein anderer Kandidat gefunden wurde. Wenn man aber nur einen einzigen Kandidaten habe, müsste es schon "schwerwiegende Bedenken" gegen diesen geben und "das Gegenteil ist der Fall. Er hat Österreichs Interessen unterstützt", freute sich der Kanzler.

"Wenn Sie mich fragen, ob wir politisch einer Meinung sind, sagte ich Nein". Aber Barroso sei für eine Transaktionssteuer, gegen Kernenergie und Gentechnologie. Dass die europäischen Sozialdemokraten in der Frage einer Unterstützung für Barroso für eine zweite Amtszeit gespalten sind, wollte Faymann so nicht sehen. "Ich würde nicht sagen, dass man in sich gespalten" sei. Aber es müssten natürlich Gespräche mit den Parlamentariern aufgenommen werden.

Warum die Entscheidung pro Barroso so schnell gehen soll? - Faymann: "Das eine ist die politische Entscheidung heute. Das andere ist die formelle Nominierung. Da werden wir mit dem Parlament beraten, in welchem Zeitraum das festgelegt wird". Dabei müsse man die offenen Fragen beantworten. Aber den Prozess der Nominierung müsse es geben. Er wehre sich jedenfalls gegen den Eindruck, dass in der EU nur über Personalia geredet werde.

Pröll: "Europa braucht Führung", "nicht offene Fragen bis Herbst"

Für eine rasche Wiederbestellung von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso für eine zweite Amtszeit an der Spitze der EU-Behörde hat sich währenddessen Vizekanzler Finanzminister Josef Pröll ausgesprochen. Der ÖVP-Chef sagte vor Beratungen seiner Europäischen Volkspartei (EVP) vor dem EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel, Europa brauche in diesen Zeiten "klare Entscheidungen".

"Europa hat eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise zu bewältigen. Präsident Barroso hat gezeigt, dass er es kann", sagte Pröll. Er hoffe, dass Barroso noch im Juli die Zustimmung des Europaparlaments erhalte, sagte der Vizekanzler. Die EU-Abgeordneten seien frei in ihrer Entscheidung, müssten aber auch an die Folgen denken. "Europa braucht nicht offene Fragen über den Sommer bis in den Herbst", betonte Pröll. Durch die bevorstehende Bundestagswahl in Deutschland werde die Lage nicht leichter. "Europa braucht Führung."

Nicht festlegen wollte sich Pröll auf Kandidaten für den künftigen österreichischen EU-Kommissar. Dieser sollte aus der ÖVP kommen, er wolle dem künftigen Kommissionspräsidenten aber über die Medien nicht ausrichten, welches Portfolio oder welche Person er sich vorstellen könne. "Die Frage des Geschlechts steht nicht im Vordergrund, sondern welche Herausforderungen oder Anforderungen" an den Kandidaten zu stellen wären, sagte Pröll.

Zu den von Irland bei dem EU-Gipfel verlangten Garantien für eine zweite Volksabstimmung über den Lissabon-Reformvertrag, sagte Pröll, er hoffe, dass diese nicht mehr ratifiziert werden müssten. Die EU will Irland explizit die militärische Neutralität, die Steuerhoheit und das nationale Abtreibungsverbot zusichern, strittig ist allerdings die Form dieser Garantien. (APA)