Christoph Zielinski, Leiter der Uni-Klinik für Innere Medizin I an der MUW, spricht von einem "wissenschaftlichen Skandal".

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Von "eklatanten Fehlern" und einer "Sammlung von Anekdoten" ist die Rede. Ein Gutachter weist die Vorwürfe zurück.

Wien – Ein Report zur Onkologie (Krebsforschung), vom Wissenschaftsministerium über den Österreichischen Wissenschaftsrat in Auftrag gegeben, erregt die Gemüter. In den "Empfehlungen zur Onkologie an den Medizinischen Universitäten Innsbruck, Wien und Graz", einem 134-Seiten-Bericht von fünf deutschen Gutachtern, wird die Wiener Med-Uni kritisiert: Die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit in der Grundlagenforschung sei "nicht überdurchschnittlich", es gebe Parallelstrukturen und kein über die Uniklinik für Innere Medizin I hinausgehendes universitäres Konzept für Onkologie.

Christoph Zielinski, Leiter der Uniklinik für Innere Medizin I und der Klinischen Abteilung für Onkologie bezeichnet die Studie als "wissenschaftlichen Skandal". Sie sei keine Evaluierung, sondern eine "Sammlung von Anekdoten" und verunglimpfe die Methode der Peer Review (Beurteilung wissenschaftlicher Arbeit durch unabhängige, gleichrangige Gutachter). Lediglich acht Stunden hätten die Gutachter für Gespräche Zeit gefunden, die Möglichkeit der Stellungnahme habe seine Universität erst nach "scharfem Protest" nachdem in der ersten Berichtversion, "in der sich in jeder zweiten Zeile eine Gemeinheit oder Unrichtigkeit zu finden war" bekommen. Die Stellungnahme scheine im Bericht aber nicht auf. Zielinski: "Sie wurde unterdrückt."

"50 Jahre Nichttätigkeit"

Zielinski spart im Gespräch mit dem Standard nicht mit Kritik am Wissenschaftsrat. Die Studie sei eine "einzige Beleidigung" für all die Forscher, die seit Jahren in Selbstausbeutung arbeiten, weil keine finanziellen Mittel für klinische Forschung zur Verfügung stünden. "Somit hat sich das Wissenschaftsministerium selbst evaluiert, für 50 Jahre Nichttätigkeit."

Der Ärztliche Leiter das AKH Wien, Reinhard Krepler, sagt, er sei in die Untersuchung "nie involviert" worden. "Es ist unerträglich, dass uns jemand reviewed, aber mit dem Ärztlichen Leiter des AKH nicht spricht." Der Bericht erwecke "den Eindruck dass gezielt die MUW schlecht behandelt wurde". Eine Stellungnahme von Rektor Wolfgang Schütz fällt ähnlich aus: Der Bericht enthalte "eklatante Fehler" und "Simplifizierung" in , und sei bei "mangelndem Zeitbudget" erstellt worden. Kritik am Zeitplan, der vom Wissenschaftsministerium vorgegeben worden sei, kam laut APA auch vom Wissenschaftsrat: Wegen Zeitmangels habe man nur ein ausschließlich aus deutschen Experten bestehendes Gremium beauftragen können, hieß es. Aus dem Büro des Wissenschaftsministers Johannes Hahn (VP) heißt es, "die Umsetzung der Erhebung erfolgte selbstständig durch den Wissenschaftsrat". Man nehme die Statements aller Beteiligten ernst und werde sich mit ihnen an einen Tisch setzen.

Einer der Gutachter, der nicht namentlich in die Medien wollte, sagte dem Standard, er weise "jeglichen Vorwurf der Oberflächlichkeit zurück". Er und seine Kollegen hätten "solide gearbeitet". Dass Krepler bei der Präsentation nicht anwesend war, sei nicht die Schuld der Gutachter. Die Reaktionen der Wiener Kollegen seien "extrem ungewöhnlich". Bericht-Koordinator Guido Adler von der Universität Ulm erklärte, die drei Monate, die für die Erhebung Zeit gewesen seien, seien deutlich zu kurz gewesen. "Das war ein klarer Fehler."

An der Med-Uni Graz will man die Kritik der Wiener Kollegen "nicht kommentieren". Rektor Josef Smolle empfand die Gespräche als "konstruktiv". (Jutta Berger, Gudrun Springer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19. Juni 2009)