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Besonders am Land hätten Neonazis viele Discotheken praktisch übernommen. Eine Disco in Steyr habe sogar die regionale Neonaziszene einfach als Türsteher engagiert

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Die Neonazi-Musikszene boomt auch im Black-Metal- und Liedermacherbereich – Salzburger "Cave Club" sperrt nach Neonazi-Vorwürfen zu: "Der Imageschaden ist irreparabel" – Von Markus Peherstorfer

Salzburg – "Musik ist unsere Waffe, gefährlicher als Panzer und Granaten", sagt die deutsche Rechtsrock-Band "Sturmwehr". Offenbar hat sie damit recht: Die Anzahl rechtsextremer Labels, Bands und Konzerte steigt Jahr für Jahr, damit einher geht eine Verdopplung der Anzeigen rechtsextrem motivierter Straftaten in Österreich zwischen 2006 und 2008.

"Haupteinstiegspunkt für Rechtsextreme"

"Die Musik ist mittlerweile der Haupteinstiegspunkt für die rechtsextreme Szene", sagte Thomas Rammerstorfer vom Infoladen Wels, der den "Rechtsrock" seit Jahren beobachtet, am Dienstagabend bei einem Vortrag in Salzburg. Bei Vortragsreihen vor Schülern müsse er immer wieder feststellen, dass Bands wie "Landser" (Albumtitel: "Das Reich kommt wieder") "in einigen Schulen an die 100 Prozent Bekanntheitsgrad haben". "Landser" wurden 2005 als kriminelle Vereinigung verurteilt – als erste Musikgruppe überhaupt in Deutschland.

"Blood and Honour"

Treibende Kraft hinter dem Rechtsrock sei das europaweit agierende Neonazi-Netzwerk "Blood and Honour". Gegründet wurde es in den 1980er-Jahren von Ian Stuart Donaldson, dem Frontman der englischen Skinhead-Punkrock-Band "Skrewdriver", die mit einem Schlägertrupp namens "Skrewdriver Security", kurz "SS", durch die Lande tourte.

Antiamerikanismus als neues Thema

Zu den Themen des Rechtsrock gehören Rassismus, Nationalismus, Revanchismus und Revisionismus sowie Antisemitismus. Besonders seit dem Irakkrieg von 2003 sei auch der Antiamerikanismus "wieder ein großes Thema", sagt Rammerstorfer. Die in den Anfangsjahren betriebene Alkoholglorifizierung habe dagegen "ein bisschen nachgelassen, weil sich ein Teil der Szene einen seriösen Anstrich geben will".

Schwerpunkte Vorarlberg und Wien

In Österreich sei die Rechtsrock-Szene seit den 1990er-Jahren vor allem in Vorarlberg und Wien stark vertreten – nachdem vor ein paar Jahren einschlägige Konzerte zurückgedrängt wurden, seien aber interne Querelen aufgetreten, etwa über die Südtirolfrage und darüber, ob man mit italienischen Neofaschisten zusammenarbeiten dürfe. Zurzeit gebe es nur eine aktive österreichische Band, die "Service Crew Vienna", allerdings sei die Szene auch in Kampfsportvereine und in die Fantribünen der Fußballstadien eingesickert.

"National Socialist Black Metal"

Neben dem explizit nazistischen Rechtsrock spiele auch der so genannte "National Socialist Black Metal" (NSBM) eine wichtige Rolle, ergänzt Rammerstorfers Kollege Markus Rachbauer. Das im Black Metal verbreitete "menschen- und frauenverachtende", gewaltverherrlichende, religionsfeindliche, oft satanistische Gedankengut sei "ein idealer Anknüpfungspunkt für Neonazis". Im Unterschied zu Rechtsrock-Bands würden aber NSBM-Bands "meistens nicht zu dem stehen, was sie vertreten": "Das Ganze kommt dann häufig als Religionskritik daher."

Haupteinnahmequelle der NPD

Einen Boom gebe es derzeit in der neonazistischen Liedermacherszene, sagt Rammerstorfer: "Die haben den strategischen Vorteil, dass ihre Konzerte sehr einfach zu organisieren sind – man braucht nur den Liedermacher und eine Gitarre." Sogar im Teenie-Pop ("Prussian Blue") und im deutschen Schlager ("Zillertaler Türkenjäger") werde gewildert. In Deutschland sei der Verkauf rechtsextremer Tonträger mittlerweile zur Haupteinnahmequelle der NPD geworden. In Österreich erfolge der Verkauf oft unter der Hand in Plattenläden oder Army-Shops.

"Viele Discos praktisch übernommen"

Der Nationalsozialismus sei heute eines der ganz wenigen Themen, mit dem pubertierende Jugendliche noch provozieren könnten, sagt Rammerstorfer: Früher habe es schon gereicht, Metallica zu hören, "da haben Lehrer und Eltern schon die Hände überm Kopf zusammengeschlagen". Besonders am Land hätten Neonazis "viele Discotheken praktisch übernommen", berichtet Rammerstorfer. Eine Disco in Steyr habe sogar "die regionale Neonaziszene einfach als Türsteher engagiert".

Salzburg: "Cave Club" sperrt zu

Ein unangenehmes Nachspiel haben Neonazi-Vorwürfe jetzt für eine Salzburger Disco: Der "Cave Club" wird mit 11. Juli seine Pforten schließen. Lokalmedien hatten vor drei Wochen über die dortige Gothic-Veranstaltungsreihe "Overdose" als mutmaßlichen Treffpunkt von Rechtsextremen in Nazi-Uniformen berichtet. Auf Fotos waren unter anderen eine Frau in der Kleidung des "Bund Deutscher Mädel" und ein Türsteher in einer SS-ähnlichen Uniform zu sehen.

Veranstalter: Sexuelles Interesse

Bei dem Türsteher hatte es sich um einen 25-jährigen Österreicher gehandelt, der in Bayern als Neonazi polizeibekannt war. Von ihm habe man sich sofort getrennt, als seine politische Einstellung bekannt wurde, beteuern die Veranstalter. Ansonsten seien in der Gothic-Szene uniformierte Besucher nichts Ungewöhnliches. Die meisten von ihnen hätten ein sexuelles Interesse an dieser Kostümierung.

LVT: Kein Rechtsradikalismus

Dieser Einschätzung schließt sich auch Burghard Vouk an, der Leiter des Salzburger Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT): "Das hat mit Rechtsradikalismus nichts zu tun." Für das Lokal in den ehemaligen Luftschutzkellern im Stadtteil Riedenburg bedeuten die Vorwürfe dennoch das Aus, sagt Pächter Harald Heinzl: "Der Imageschaden ist irreparabel", die Gäste seien ausgeblieben. (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 17.06.2009)