Bild nicht mehr verfügbar.

Für Gabriele Heinisch-Hosek (links) geht Praxis vor Ideologie. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer geht nach zwölf Jahren Einsatz für Frauenrechte.

Foto: APA / GEORG HOCHMUTH

Wien - Von "A" wie "Außenpolitik" bis "Z" wie "Zieleinlauf - Frauenförderung im Sport" galt es die frauenpolitischen Brennpunkte durchzudeklinieren. Es sollte ein Grundsatzpapier werden, das die rote Marschrichtung vorgibt. In jenem Sommer 2006 hämmerte also auch Barbara Prammer selbst in die Computertasten, um das "ABC der Frauenpolitik" aus sozialdemokratischer Sicht vorzulegen.

Derzeit schreibt die Präsidentin des Nationalrates wieder an einem für sie sehr bedeutenden Text: Nach zwölf Jahren an der Spitze der SPÖ-Frauen wollen die richtigen Worte für die Abschiedsrede am kommenden Sonntag gefunden werden. In rund 45 Minuten wird die scheidende Vorsitzende Bilanz ziehen. "Nicht wehmütig", wie sie meint. Es sei der Zeitpunkt gekommen, "wo es gut ist, Synergien zu erzeugen". Und mit Gabriele Heinisch-Hosek als Frauenministerin gebe sie mit Freude "eine hohe Verantwortung in neue, andere Hände". Während Prammer Losgelöstheit demonstrieren will, sind ihre eigenen Hände mit dem Auf- und Abstecken des Ringes an ihrem linken Ringfinger beschäftigt.

Der Abschied vom roten Frauenvorsitz fällt Prammer bestimmt nicht leicht. Seit Beginn ihrer Karriere war Frauenpolitik "ihr" Thema. Sei es als junge Frauenreferentin beim Linzer Arbeitsamt oder seit 1990 als Frauenvorsitzende der SPÖ Oberösterreich. 1991 folgte das Amt der Zweiten Landtagspräsidentin. Und 1995 schließlich der Einzug in die Landesregierung. - als erste Frau seit 1945. Zwei Jahre später ist die Oberösterreicherin angekommen: Erst wurde sie Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz, im April 1997 übernahm sie den Frauenvorsitz von Helga Konrad.

Ein Job, der seit Johanna Dohnal nicht gerade leichter geworden ist. Denn so wie jeder SP-Vorsitzende mit Bruno Kreisky verglichen wird, ist in Sachen Frauenpolitik Johanna Dohnal die lebende Ikone, mit der es sich zu messen gilt.

Die "Neue" stellt sich diesem Vergleich relativ entspannt. Zwar ist Dohnal auch für Gabriele Heinisch-Hosek "ein Vorbild", aber sie sei in einer Zeit in der Regierung gewesen, "wo für Frauen relativ viel passieren konnte". Stichwort Fristenregelung. Stichwort Familienrechtsreform. Und vieles mehr. Heute sei schon einiges erreicht - auf dem Papier. Gerade hier liege die Herausforderung, meint Heinisch-Hosek: Sie will der subtilen Diskriminierung den Kampf ansagen, Ungleichbehandlungen sichtbar machen.

Heinisch-Hosek hat sich für ihren Frauenvorsitz ambitionierte Ziele gesteckt: Bis 2020 sollte mindestens jeder fünfte Vater in Karenz gehen, jedes dritte Kind unter drei Jahren einen Kindergarten besuchen, sollten Frauen in Führungspositionen keine Ausnahme mehr sein und - hier vermeidet sie eine konkrete Zahl - die Einkommensschere sollte "um X Prozent kleiner" sein als heute. 2007 verdienten österreichische Frauen durchschnittlich um 25,5 Prozent weniger als Männer - der zweitschlechteste Wert in der EU.

Den Weg aus diesem Dilemma wird Heinisch-Hosek weniger programmatisch anlegen als ihre Vorgängerin, erwarten sich viele Genossinnen. Was auch mit ihrem Werdegang zu erklären ist: Die 47-jährige Niederösterreicherin ist erst seit 1990 SPÖ-Mitglied. Zunächst war sie im Gemeinderat von Guntramsdorf im Wiener Umland tätig, 1999 wechselte sie ins Parlament. Ab 2001 war sie für Kinder- und Jugendfragen zuständig, im Bezirk Mödling übernahm sie den SPÖ-Frauenvorsitz. Als Frauensprecherin des SPÖ-Klubs konnte sie von 2004 bis 2006 Profil zeigen.

Heute ist sie Frauenministerin und kündigt schon vor der Wahl in ihre neue Funktion an: Ab 2010 werde es eine Änderung der SPÖ-Statuten geben, wonach bei Verfehlen der 40-Prozent-Frauenquote auf der Bundesliste Sanktionen drohen. Ein Erfolg für die neue Frauenchefin; bei über 12.000 roten Funktionärinnen und 100.000den weiblichen Mitgliedern täte der Kanzler aber auch aus parteistrategischen Überlegungen nicht gut daran, weiterhin auf dieses Druckmittel zu verzichten.

Ihr Politikverständnis beschreibt Heinisch-Hosek so: "Ich habe meine Ideologie, meine Werte. Aber die Bedürfnisse der Menschen haben sich geändert." Folglich gelte es, sozialdemokratische Überzeugungen an konkrete Lebensbedingungen anzupassen. Beispiel Teilzeitbeschäftigung: Prammer spricht von "verteufelter Teilzeit" und begründet das damit, dass Frauen nach der Karenz oft in einem niedriger qualifizierten Job wieder einsteigen. Auch Heinisch-Hosek weiß um diese Sackgasse, tut sich aber leichter zu respektieren, dass viele Frauen dennoch in bestimmten Lebensphasen ein Teilzeitmodell favorisieren.

In der ÖVP registriert man die neue Akzentuierung positiv. Als Frauenpolitikerin stellt man Prammer hier ein durchwegs schlechtes Zeugnis aus. Und ihr "Frau sein allein reicht nicht" - damals auf VP-Präsidentschaftskandidatin Benita Ferrero-Waldner gemünzt - sitzt bis heute. Mit dem Vorsitzwechsel hofft man in der ÖVP auf ein Ende der roten Isolationspolitik in Frauenfragen. Prammer selbst will eine solche nie betrieben haben: "Es trennen uns eher die Männer."

Die Kritik an Prammer im Umkehrschluss: Während ihr in tagespolitischen Angelegenheiten mitunter eine Ein-Schritt-vor-zwei-Schritte-zurück-Strategie attestiert werden kann, ist ihre Position als Frauenvorsitzende in Stein gemeißelt. Auch wenn sie die seit Jahrzehnten ähnlichen Forderungen bald selbst "nicht mehr hören kann". Was nicht sein dürfe. Ihr Resümee: Es brauche eine neue Frauenbewegung, neue Ideen. Ab Sonntag ist Gabriele Heinisch-Hosek dafür offiziell zuständig. (Karin Moser, DER STANDARD/Printausgabe 18.6.2009)