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Die Hinterlassenschaft der Kuh dient so manchem Kleinstlebewesen als Lebensgrundlage.

Foto: AP / Kerstin Joensson

Als vor rund 250 Jahren die ersten Kühe nach Australien eingeführt wurden, häuften sich auf den Weiden die Kuhfladen, denn es fehlte die entsprechende kotverarbeitende Tierwelt. Erst ebenfalls importierte Mistkäfer konnten das Problem lösen. Dieses Beispiel zeigt, dass die "Abfallverwertung" nur dann funktioniert, wenn es sich um Organismen handelt, die aneinander angepasst sind.

Prinzipiell setzen freilebende Tiere ihre Körperausscheidungen irgendwo in der Wildbahn ab. In einem Bau oder Territorium kann es spezialisierte Kammern oder Plätze geben, die quasi als Toilette fungieren. Die weitverzweigten Bauten von Ameisen enthalten solche Abfallkammern, während die nicht minder hoch organisierten Bienen ihre Fäkalien einfach außerhalb des Stockes abwerfen.

Aas als Nährstoffquelle

Auch in der Toleranz den körpereigenen Abfallprodukten gegenüber gibt es große Unterschiede zwischen den Arten: Während etwa Katzen und Schweine diesbezüglich von Geburt an sehr heikel sind, müssen Affen - ebenso wie Menschenkinder - erst mühselig lernen, dass man nicht mit den Händen im vollen Nachttopf rührt.

Ungeachtet gesellschaftlicher Normen ist Kot nicht nur ein hervorragender Pflanzendünger, sondern auch Lebensraum und Nahrung zahlreicher wirbelloser Tiere. Dungfliegen etwa durchlaufen ihre Jugendentwicklung in Kuhfladen, und Mistkäfer betreiben eine aufwändige Brutfürsorge, indem sie unterirdische Gänge mit Brutkammern anlegen. Diese werden mit je einem Ei und Kot befüllt, der der ausschlüpfenden Larve als Futter dient. Im Grunde ist also hervorragend dafür gesorgt, dass die grüne Wiese nicht aussieht wie so manche städtische Grünstreifen.

Wo jedoch große Mengen von Fäkalien in relativ kurzer Zeit auf relativ kleinem Raum anfallen, stellen sie auch in der freien Natur ein Problem dar. Das war in Keltensiedlungen nicht anders als in Freiluftkommunen oder in stark von Wildcampern frequentierten Gegenden. Nicht umsonst sorgen erfahrene Veranstalter von Zeltlagern, wie Armee oder Pfadfinder, gleich zu Beginn für die Errichtung einer Latrine. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil von "Naturmüll" sind tote Tiere. In jedem Körper sind Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß gebunden, die nach dem Tod wieder in den Naturkreislauf zurückkehren. Selbst wenn entsprechend große Aasfresser fehlen, bleibt ein Kadaver in freier Natur nicht lang erhalten.

Die wichtigste Rolle bei der Verwesung spielen neben Einzellern und Pilzen wieder einmal Insekten. Versuche mit Schweineaas zeigten, dass jene Kadaver, die vor Insekten geschützt gelagert wurden, nach rund drei Monaten noch 20 Prozent ihres ursprünglichen Gewichts hatten. Wo Insekten freien Zutritt hatten, zeigten die toten Schweine innerhalb der ersten sechs Tage einen Gewichtsverlust von 90 Prozent.

Makabre Lebensgemeinschaft

Dabei entwickelt sich auf dem Kadaver eine makabre Lebensgemeinschaft: Ab dem Moment des Todes beginnen Fleisch- und Schmeißfliegen, ihre Eier in Wunden und Körperöffnungen zu legen. Während die im Körper enthaltenen Bakterien und Enzyme die Gewebe zunehmend auflösen, gesellen sich andere Fliegenfamilien dazu, ebenso wie aasfressende Käfer.

Der Kadaver zieht auch Insekten an, die die Fliegenmaden jagen. Ist die Tierleiche einmal weitgehend ausgetrocknet, findet man unter bzw. an ihr auch Hundertfüßler, Asseln, Schnecken. Es bleiben nur Knochen übrig. Auch abgestorbene Pflanzen bzw. Pflanzenteile müssen "entsorgt" werden, allen voran das alljährlich anfallende Herbstlaub. Eine Heerschar von Kleinlebewesen wie Tausendfüßer oder Schnecken besiedeln diese Streuschicht und sorgen gemeinsam mit Bakterien und Pilzen dafür, dass das tote Pflanzenmaterial in seine Bestandteile zerlegt wird und wieder als Nährstoff zur Verfügung steht.

Vor allem die Aktivität von Bakterien und Pilzen ist es auch, die selbst abgestorbene Baumriesen im Lauf der Zeit rückstandsfrei verschwinden lässt. Menschengeschaffenes ist hingegen oft nur schwer wieder loszuwerden. So lassen sich auch heute noch gut erhaltene Plastikenten in den Donauauen finden, die unter jenen tausenden waren, die vor neun Jahren bei einem "Entenrennen" am Donaukanal ausgesetzt wurden. (Susanne Strnadl/DER STANDARD, Printausgabe, 17.06.2009)