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Unter Druck: Barack Obama will am Dialog festhalten

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Je blutiger die Proteste in Teheran, desto schwieriger wird die Lage für Barack Obama.

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Barack Obama äußerte Sorge angesichts der Gewalt in Teheran, doch die Moralkeule lässt der US-Präsident im Sack. 

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Drei Tage hat er sich Zeit gelassen mit einer Antwort. Und als sie dann kam, in der Nacht zum Dienstag nach mitteleuropäischer Zeit, war es die typische Reaktion eines Professors, dem kühles Analysieren allemal lieber ist als kantige Polemik (derStandard.at berichtete). Im Umgang mit dem Iran hält sich Barack Obama alle Optionen offen. Trotz der mächtigen Protestwelle, die durch Teheran rollt, bleibt er bei seinem feinen Drahtseilakt, mögen die Kritiker noch so laut nach stärkeren Worten rufen.

Ja, er sei zutiefst beunruhigt angesichts der Gewalt, die er im Fernsehen gesehen habe, stellte der US-Präsident klar. "Ich denke, dass der demokratische Prozess, freie Rede, die Fähigkeit, friedlich zu widersprechen - dass all das universale Werte sind und respektiert werden müssen." Wo immer er sehe, dass gegenüber Menschen, die friedlich eine andere Meinung äußern, Gewalt angewandt werde, sei er besorgt.

Aber er wolle auch nicht den Eindruck erwecken, sich in die inneren Angelegenheiten des Iran einzumischen, relativierte Obama am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit dem südkoreanischen Präsidenten Lee Myung-bak. "Wir waren nicht vor Ort, wir hatten keine Beobachter im Iran" , fügte der Präsident hinzu. Ergo könne er nicht definitiv beurteilen, ob das Votum gefälscht wurde. Allerdings spüre er, dass sich Menschen, die voller Hoffnung waren, betrogen fühlten. Was das alles für das Verhältnis zu Teheran bedeute? Man werde den "harten, direkten" Dialog fortsetzen, so scheußlich einige Erklärungen Ahmadi-Nejads auch sein mögen. "Wir werden sehen, wohin es uns führt."

Es war der Balanceakt eines Realpolitikers, ein Seiltanz von höchstem Schwierigkeitsgrad, quittiert mit Beifall, aber auch mit Buhrufen. Vor allem sind es die Republikaner, die von Obama verlangen, endlich Farbe zu bekennen. "Wir sollten ohne Umschweife sagen, dass dies eine korrupte Wahl war" , meint John McCain, der Widersacher des Präsidentschaftsduells. Man müsse die Iraner ermuntern, das gesamte System der Islamischen Republik zu stürzen, fordert John Bolton, ein Neokonservativer, der unter George W. Bush UN-Botschafter war. "Das wäre ein Wandel, an den wir glauben können" , fügt er hinzu, bissig auf Obamas Wahlslogan anspielend.

Die Demokraten dagegen halten es eher mit John Kerry, einem ihrer kundigsten Außenpolitik-Strategen. Was in den Straßen Teherans passiert, belegt nach Ansicht des ergrauten Senators überaus eindrucksvoll, wie weise der neue Ansatz der Administration ist. Die Menschen direkt anzusprechen, ihrem Land eine Alternative zum heutigen Paria-Status in Aussicht zu stellen, ohne auf ein "Alles oder nichts" zu setzen - das führe allemal weiter als die Brechstange der letzten acht Jahre. Überhaupt kassiert der Präsident von seinen Parteifreunden viel Lob. Mit seiner klugen Islam-Rede in Kairo, geht der Tenor, habe er alte Feindbilder aufgeweicht und den Hardlinern der Region ihre liebsten Argumente entzogen. "Es wäre ein Fehler, sich jetzt zu sehr in die iranische Politik einzumischen" , warnt der Nahost-Kenner David Ignatius in der Washington Post. "Damit hätten die Mullahs nur den ausländischen Feind, den sie brauchen, um die Reformer zu diskreditieren."

Feine Zwischentöne

So deutlich will es Obama, ein Mann feiner Zwischentöne, nicht sagen. Doch genau dies ist sein Konzept. Bereits als Kandidat ging er scharf ins Gericht mit Bushs konfrontativem Kurs, der sich zwar durch markige Parolen auszeichnete, in der Sache aber nur erreichte, dass die Betonfraktion im Iran Oberwasser bekam. Als Regierender denkt er nicht daran, seine subtile Taktik schon an der ersten Hürde aufzugeben. Er möchte festhalten an dem Zeitplan, den er vor ein paar Wochen skizzierte. Bis zum Jahresende will er herausfinden, ob sich im Atomstreit mit Teheran ein Kompromiss schließen lässt - egal, ob der iranische Präsident nun Mir-Hossein Mussavi oder Mahmud Ahmadi-Nejad heißt.  (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 17.6.2009)