Fanatische Kampfmaschine: Okwui Okpokwasili als Joan Dark (und Philip James Brannon).

Foto: Mangafas

Linz - Schon im Prolog kommt es ziemlich dick. Dort, wo Friedrich Schiller die Heldin und ihre Berufung zur heiligen Kämpferin präsentiert, platziert Aida Karic in ihrer Fassung der Jungfrau von Orléans eine Messe amerikanischen Zuschnitts: Der Bischof gibt den einpeitschenden Prediger, das restliche Ensemble das zustimmende Echo in den Publikumsrängen.

Die am Bühnenrand postierten Gospel-Sängerinnen steuern das Ihre bei. Es ist ein Erweckungsritual, das Jeanne d'Arc aka Joan Dark (Okwui Okpokwasili) hier erlebt, eingebettet in religiös aufgeladene Kriegshetze. Mit der Pistole in der Hand verkündet sie ihre Mission und macht klar: Es geht ums Ganze. Ein weißes Kreuz im Gesicht wird ihre Kriegsbemalung sein.

Frankreich liegt mit England im Hundertjährigen Krieg. Charles (Chad Hoeppner) hat als Dauphin jedoch eher narzistische Sorgen. Die Selbstverliebtheit der weltlichen Elite bringt er als Robbie-Williams-Verschnitt auf den Punkt. Let me entertain you schallt es inbrünstig durch die Linzer Hafenhalle, laszives Bad in der Wasserpfütze an der Bühnenkante inklusive. Im Leopardenhöschen, versteht sich.

Davon angetan ist eigentlich nur seine Geliebte, wogegen die Offiziere die Sorgen der beständigen Niederlage plagen. Vom Parfum des Herrschers angeekelt, ist Blut und Schweiß eher ihr Metier. Joan Dark vermag mit ihrem fanatischen Kampfgetöse beide, Herrscher wie Hofstaat, zu betören.

Es sind die Darsteller des Chicagoer Goodman Theatre, die das Gewicht der Inszenierung stemmen, die sich nicht nur als wuchtige, sondern nach und nach auch als breit gewalzte Interpretation des Stoffs ausnimmt. Schillers pathosgeladener Text wird zwar stark beschnitten, jedoch massiv in die Körperlichkeit der Akteure übersetzt. Die Dichte ihrer Emotionen schrammen in Karic' Regie manchmal nur knapp an der Lähmung vorbei. Der von den Musikern live eingespielte Soundteppich sorgt auch nicht für Auflockerung.

Dennoch gelingt die Zuspitzung der Hauptfiguren. Zu Charles und Joan gesellt sich die abtrünnige Königsmutter Isabeau: Sie lässt Joan töten, als diese schon längst am Boden liegt. Ihre göttliche Mission hat die Jungfrau durch zarte Gefühle für den Feind verraten, ihr Streben nach dem endgültigen Sieg am Schlachtfeld wird durch die königliche Diplomatie torpediert, und moralische Gewissheit empfindet sie längst nicht mehr.

Echte Machtmenschen wie der frischgebackene König Charles wissen es sich jedoch zu richten. Am Ende gelingt Karic dazu eine gelungene Paraphrase: Charles beschließt mit der legendären Abschiedsrede von George W. Bush das Bühnengeschehen. (Wolfgang Schmutz, DER STANDARD/Printausgabe, 17.06.2009)