Der britische Künstler Damien Hirst vor seinen eigenen Arbeiten - während der Vorbereitungen auf seine Ausstellung "Requiem" im Pinchuk Art Center in Kiew.

Foto: Pinchuc Art Centre

Samt Haifisch im Becken und Schmetterlingen.

Unlängst in der Victor Pinchuk Foundation in Kiew: Damien Hirst stellt aus. Nicht irgendetwas, sondern den ganzen Damien Hirst. Den von früher, den mit den längs halbierten Kühen, den mit den in riesigen Aquarien gebannten Haien, den mit dem (gefakten) Kuhschädel und den Fliegen, die ebendiesen umkreisen. Und nicht zuletzt den mit den vermutlich echten Diamanten, die so ein maschinengeneriertes Bild erst zum Funkeln bringen, und den mit den medizinischen Instrumenten in den teuren Edelstahlvitrinen sowieso.

Und den mit den bunten Schmetterlingen, die, feinstens konserviert und fachgerecht aufgeklebt, so etwas wie die Rosette einer gotischen Kathedrale ergeben. Und apropos Rosette: Manchen gilt Damien Hirst als das größte Arschloch der Kunstwelt. Ebenso viele aber halten ihn für das Genie, das den Irrsinn von Auktionen, den rabiaten Preisanstieg der letzten Jahre, den Hype um das Größte, Beste, Teuerste auf den Punkt gebracht hat.

Egal, was: Damien Hirst ist bescheiden geworden, und also gilt es, Vorsicht walten zu lassen. For the Love of God nannte er seinen diamantenbesetzten Totenschädel, der via Medienpräsenz auch noch die letzten in informationsgeschützten Nestern Verbliebenen mit seinem Namen, mit der Marke "Damien Hirst" vertraut gemacht hat. Der Schädel, das war das teuerste Werk ever, und – so viel zum Coup – es war seinen Preis wert, nicht in Projektionen, nicht aufgrund von Expertisen, nicht aufgrund der Kauflaune eines Oligarchen – sondern: in real.

Hirst hat mit For the Love of God dem Ausufern der Preise den entsprechenden Warenwert gegenübergestellt. Und wurde gleich darauf vom Schicksal belohnt. Genau an dem Tag, an dem Lehman Brothers Bankrott erklären musste, hat er mit einer Privatauktion – unter zumindest öffentlichem Ausschluss seiner Galeristen – satte 140 Millionen Euro eingespielt.

Wie viele Millionen davon etwa von Victor Pinchuk kamen, ist ebenso wenig bekannt wie der Anteil Pinchuks am Konvolut neuester Malereien, die Damien, den frisch zum Bescheidentum Konvertierten, als Verehrer Francis Bacons neu zu positionieren suchen. Jedenfalls finden sich etwa 40 dieser Paraphrasen auf Großmeister Bacon in der Schau in Kiew. Und jedenfalls musste ebendort ein eigener Bau errichtet werden, genau dazu, die Vorgeschichte zu zeigen.

Also: die Haifischbecken ins Provisorium, die Malereien in die Galerie. Und anstelle von Papst Innozenz sitzen nun verstorbene Freunde Hirsts im Bacon'schen Raumkoordinatengewirr, und anstatt die Dot-Paintings unmittelbar zu präsentieren, verwendet Damien sie als Hintergrund, zitiert sich selbst, verweist auf das alte, auf sein nun abgeschlossenes Leben im Exzess. "Clean" sei er jetzt, frei von Drogen bis hin zu Alkohol und Nikotin. Weil: Schließlich ist er jetzt Anfang vierzig, hat drei Kinder und dementsprechend Verantwortung zu tragen. Und. Das Problem war: Trinkt man ein Bier, schreit das nach einem Glas Wein, welches nach Gin ruft, der als solcher den Griff zum Marschierpulver fordert, dessen Wirkung wiederum mit Bier gedämpft wird, und ... Das alles ist jetzt vorbei: Er übt sich im Malen. Und im Dasein als Familienmensch. Was heißt: Landsitz im Süden Englands, ein paar Originale von Godfather Bacon ungezwungen an der Wand, Mineral von heraußen und der großen Momente seines Lebens gedenken.

Jene, die ihm in Erinnerung geblieben sind, hält er neuerdings fotorealistisch fest: Die Geburten seiner Kinder etwa finden sich in polaroidfarbenen Mittelformaten ebenso wieder wie ein Treffen unter Freunden. Und wer jetzt Falsches vermutet, soll sich selbst an der Nase nehmen. Die Freunde, die es zu umarmen gilt, sind: Viktor Pinchuk und Jeff Koons. Freund Viktor Pinchuk ist außer Kunstfreund reichster Mann der Ukraine, Ex-Gatte der Tochter des ukrainischen Ex-Präsidenten Leonid Kuchma und investiert nicht in Yachten jenseits der 80-Meter-Grenze. Er finanziert stattdessen diverse Programme für Bildung und Aids-Prävention. Und ist gut mit Elton John befreundet.

Buddy Nummer zwei, Jeff Koons, wird am Kunstmarkt manchmal teurer als Damien, manchmal auch billiger gehandelt; Armdrücken verbindet eben. Relativ neu im Bund: Eckhard Schneider. Der hat bis Ende Dezember im Kunsthaus Bregenz große Personalen veranstaltet, die Brüder Chapman nach Österreich gebracht, Maurizio Cattelan, dessen Pferd eben in der Punta della Dogana in Venedig bei François Pinault in der Wand steckt, gezeigt oder Hans Schabus eine erste große Werkschau gewidmet. Seit Jänner ist er Direktor des Pinchuk Art Centre und hat eben Wladimir Klitschko zum Kurator des ukrainischen Biennale-Pavillons in Venedig ernannt. Vielleicht wird Damien ihn ja einmal malen. (Markus Mittringer aus Kiew, DER STANDARD/Printausgabe, 17.06.2009)