Sofia - Einer Studie des Nationalen Statistikamts zufolge sind die Bulgaren die unzufriedensten Europäer überhaupt. Sie fühlen sich unterdrückt und unterbezahlt, sind pessimistisch und sozial gelähmt. Der Politikwissenschaftler und Berater der rechtsgerichteten Oppositionspartei SDS (Bund der demokratischen Kräfte), Wladimir Schopow, setzte die Studienergebnisse in einen Bezug zur den jüngsten EU-Wahlen, bei denen es Stimmenkauf in großem Stil gegeben haben soll. Seiner Meinung nach versetzten Angst, wirtschaftliche Unsicherheit und die Praxis der Wählerbestechung das Land in "neufeudale Verhältnisse".

Es gibt laut Schopow ganze Regionen, die vollständig einem wirtschaftlich-politischen Kartell mit neufeudaler Struktur von Patronen und Klienten unterworfen seien. Dort fehlen rechtsstaatliche Strukturen praktisch völlig und die Menschen hätten kaum Möglichkeiten für Selbstinitiative und eigene Unternehmungen. Durch die Einführung von mit per Mehrheitsprinzip gewählten Angeordneten erwartet Schopow nach der Parlamentswahl Anfang Juli auch die ersten "majoritären Feudalen" in Bulgarien.

Angst vor Kriminalität

Kriminalität und Korruption hätten in Bulgarien den sozialen Zusammenhalt geschwächt und dazu geführt, das eine engagierte Zivilgesellschaft praktisch völlig fehle. Laut der Statistik fürchten sich 67 Prozent der Bulgaren - ein Höchstwert in der EU - vor Kriminalität. 50 Prozent haben Angst, im Dunklen in ihrem Viertel auf die Straße zu gehen. 20 Prozent haben ständige Angst vor Raubüberfällen im eigenen Haus. Nur fünf Prozent seien in ehrenamtlichen Organisationen gesellschaftlich aktiv.

Nur ein Prozent der Bulgaren sind mit ihrem Einkommen zufrieden, 39 Prozent kommen damit kaum durch. Das Durchschnittseinkommen im Land pro Person erreichte laut dem Nationalen Statistikamt gerade einmal 304 Lewa (155 Euro) im Monat, wobei 38 Prozent für Nahrungsmittel ausgegeben werden. Bezieht man alle Nebenkosten mit ein, sind es sogar 53 Prozent - der höchste Wert in der EU. Bulgarien ist seit Anfang 2007 Mitglied der Europäischen Union. (APA)