Heiner Oberrauch

Foto: Salewa

In der Krise entdecken die Menschen die Berge wieder, behauptet Salewa-Boss Heiner Oberrauch. Der Outdoor-Ausrüster vermisst jedoch das Thema Nachhaltigkeit, sagt er zu Thomas Rottenberg.

STANDARD: Sie bezeichnen die Wirtschaftskrise als Chance für die Outdoor-Branche. Wieso?

Oberrauch: In der Krise suchen viele Menschen eine heile Welt. Gerade in ihrer Freizeit. Da liegt das Motto "zurück zur Natur" nahe – das ist für unser Geschäft positiv.

STANDARD: Lässt sich das auch quantifizieren?

Oberrauch: Stetes Wachstum ist in Zeiten wie diesen schon fast ein Boom: Die Outdoorbranche wächst heuer um fünf Prozent. Bei Salewa dürften es 15 Prozent sein. Einen echten Boom erlebt der Skitourenmarkt: Der wuchs im Winter um 20 Prozent – wir selbst haben fast 50 Prozent Wachstum geschafft.

STANDARD: Dennoch warnen Sie vor Begleiterscheinungen und einem Rückfall in ein Neo-Biedermeier?

Oberrauch: Ich hoffe sehr, dass die Menschen das Echte wieder entdecken: die nachhaltige Schönheit der Natur. Aber ich habe Angst, dass die Krise von Populisten genutzt wird, seltsame Heimatbilder zu propagieren. Ich glaube aber, dass Bergsteigen immunisiert: Wer in und von der Natur lernt, sieht die Welt als gemeinsam, ganzheitlich zu schützenden Ort.

STANDARD: Apropos Schutz: Wieso stört es Sie, wenn massiv Geld in alte Industrien gepumpt wird?

Oberrauch: Dass sich die Autokrise wiederholen würde, war absehbar. Ich glaube, wir wären gut beraten, nicht in Technologien rund um fossile Brennstoffe zu investieren. Das bringt uns nicht weiter. Mir fehlt der Blick auf das Innovative und in die Zukunft. Wenn man nur das Alte stützt, sind wir nicht zukunftsfähig. Genau diese Debatte findet aber nicht statt.

STANDARD: Ohne Jobs kaufen die Menschen aber keine Bergschuhe.

Oberrauch: Das stimmt. Aber Fakt ist, dass niemand die langfristige Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen anspricht oder Alternativen andenkt. Die Verantwortung der Politik ist zu groß, um in Wahlzyklen zu denken. Das wäre so, als würde ich nicht überlegen, wo mein Unternehmen in zehn Jahren sein soll.

STANDARD: Salewa baut gerade bei Bozen um 30 Millionen Euro eine neue Firmenzentrale. Ein Manifest gegen den Krisen-Zeitgeist?

Oberrauch: Sicher: Wir können uns das im Moment leisten. Aber ich will ein Signal setzen und eine neue Vision von Industrie aufzeigen. Das geht vom Betriebskindergarten bis zur Energieversorgung: Im Optimalfall produzieren wir einen Energieüberschuss. Es geht darum, Zeichen zu setzen.

STANDARD: Das heißt: Wandern in den Alpen statt baden in Thailand?

Oberrauch: Die Krise hat uns eines beigebracht: Wachstum ist endlich. Das hilft, Werte wiederzuentdecken. Die Botschaft lautet, von der Geschwindigkeit Abstand zu nehmen: Ich muss nicht dreimal im Jahr weit reisen. Ich mache lieber alle drei Jahre eine große Reise. Die dauert dafür länger. Wenn ich langsamer reise, sehe und erlebe ich insgesamt mehr.

STANDARD: Wandern und Bergsteigen sind also die Antithese zur Globalisierung?

Oberrauch: Nein. Denn Bergsteigen ist eine positive Form der Globalisierung. Hier zählt nicht, woher jemand kommt, sondern was man wie tut. Erfolg – manchmal auch das Überleben – hängt davon ab, mit wie viel Respekt man an die Umwelt herangeht. Und wie man mit Menschen umgeht. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.6.2009)