Amsterdam/Straßburg/Genf/London/Madrid - Europäische Medien beschäftigen sich am heutigen Montag mit der Grundsatzrede des israelischen Premiers Benjamin Netanyahu, in der sich dieser erstmals unter Auflagen für einen unabhängigen Palästinenserstaat ausgesprochen hatte. Mehrheitlich werden die Äußerungen Netanyahus als nicht weitgehend genug kritisiert.

"Trouw" (Amsterdam):

"Zum ersten Mal hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu von einem Palästinenserstaat gesprochen. Doch die Zustimmung dazu verband er mit Vorbedingungen (Entmilitarisierung, keine Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge nach Israel, ein ungeteiltes Jerusalem), mit denen die Palästinenser nie einverstanden sein können. Ebenso wenig wie damit, dass es zwar keine neuen Siedlungen in den Palästinensergebieten mehr geben soll, die bestehenden aber erweitert werden können. Barack Obama hatte bei seiner Rede in Kairo voller Optimismus über Veränderungen gesprochen, aber auch eingeräumt, dass sie im Nahen Osten nicht in kurzer Zeit möglich sind. Die jüngsten Entwicklungen in Israel und im Iran machen deutlich, wie groß sein Durchsetzungsvermögen sein müsste."

"Dernières Nouvelles d'Alsace" (Straßburg):

"Benjamin Netanyahu war verpflichtet, (US-Präsident) Barack Obama zu antworten und musste gleichzeitig seine Wählerschaft nicht vor den Kopf stoßen. Angesichts der amerikanischen Forderungen nach einem Stopp des Siedlungsbaus und der Schaffung eines Palästinenser-Staates hat Netanyahu eine schwierige Position. Washington ist Israels Waffenlieferant für offiziell jährlich 2,4 Milliarden Dollar, und fordert den Frieden mit einer Zwei-Staaten-Lösung ohne Kolonisierung. Damit will die US-Regierung einen 60 Jahre alten Spannungsherd löschen und den islamischen Extremismus ausmerzen, der sich aus diesem Konflikt nährt und die gemäßigten arabischen Länder destabilisiert."

"Neue Zürcher Zeitung" (Genf):

"Die mit Trompetenstößen angekündigte "Grundsatzrede" des israelischen Ministerpräsidenten Netanyahu hat wenig zum erhofften Ausgleich zwischen den Juden in Israel und ihren palästinensischen Nachbarn beigetragen. Sein Vorschlag eines demilitarisierten Palästinenserstaates bedarf der Präzisierung. Je nach Interpretation bedeutet dies nichts weiter als eine Fortsetzung des gegenwärtigen Zustands. Auch ist Israels Regierungschef ein klares Bekenntnis zu einem Ende jeglicher Bautätigkeit in den jüdischen Siedlungen Cisjordaniens schuldig geblieben. Genau dies aber wäre nötig, um den vor bald zwanzig Jahren in Oslo eingeleiteten Friedensprozess zwischen den beiden Völkern neu zu beleben. Wie soll je ein lebensfähiger Staat Palästina entstehen, wenn dessen knappes Territorium täglich weiter verringert wird und die Anzahl jüdischer Siedler auf besetztem Gebiet konstant steigt?"

"Independent" (London):

"Dass Netanyahu das zukünftige Existenzrecht eines Palästinenserstaates in irgend einer Form anerkannt hat, ist ein Fortschritt. Bisher hatte der Chef der rechtskonservativen Likud- Partei ein solches Konzept sogar in der Theorie zurückgewiesen. Nun ist eine Tür einen Spalt breit vorsichtig aufgestoßen worden und Washington muss nun sicherstellen, dass Israel sein Angebot an die Palästinenser klarer formuliert und ein Datum nennt. Die Rede Netanyahus entsprach nicht den Hoffnungen der Palästinenser und auch nicht den unsrigen, doch seine augenscheinliche Akzeptanz eines Palästinenserstaates kann als Baustein genutzt werden. In diesen düsteren Zeiten für den Nahen Osten ist dies wenigstens etwas."

"El Pais" (Madrid):

"In seiner mit Spannung erwarteten Botschaft war Netanyahu darauf bedacht, die privilegierten Beziehungen Israels zu den USA nicht zu strapazieren. Doch abgesehen von kosmetischen Elementen war die Rede Netanyahus in der Bar-Ilan-Universität, einer Hochburg der religiösen Rechten, weit von dem Versöhnungswillen entfernt, den seine Sprecher angekündigt hatten. Die Rede war in diesem Zusammenhang ungenügend und in zentralen Aspekten des Nahost-Konflikts wenig flexibel (...). Sie war nicht der Ausdruck eines Verhandlungswillens, sondern steckte vielmehr voller Bedingungen." (APA/dpa)