Wien - Der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Bernhard Felderer, sieht die Regierung auf einen Belastungstest zusteuern. Die Nagelprobe werde sein, inwiefern es ihr gelinge, die Schulden einzudämmen. Das durch Banken- und Konjunkturpakete gestiegene Defizit sei "beängstigend", sagte Felderer in der ORF-"Pressestunde".

Den bisherigen Schulden-Rekordstand gab es 1995: Damals schoss die Neuverschuldung in Österreich auf 68,5 Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukt). Nach 59,2 Prozent 2007 werde das Budgetdefizit bis Ende 2010 auf 73 bis 75 Prozent hochschnellen und 2013 bei 78,5 bis 80 Prozent zu liegen kommen. "Die Regierung muss rasch einen Sanierungsplan vorlegen", sagte Felderer. Die Zinszahlungen, die im Vorjahr 7,5 Mrd. Euro betragen haben, würden 2009 und 2010 auf jeweils mehr als zehn Mrd. Euro ansteigen. Ein Wirtschaftsaufschwung im kommenden Jahr sei nicht in Sicht.

Bausparförderung überdenken

Statt Steuern zu erhöhen oder neue einzuführen, redet der Wirtschaftsforscher einer Reduktion der Staatsausgaben das Wort: "Das muss absolute Priorität haben." Hohes politisches Geschick sei notwendig, um auch die Länder in das Sparprogramm einzubinden. Auch sei zu überlegen, ob es Einrichtungen wie beispielsweise die Bausparförderung noch braucht. Die Regierung müsse sich jedenfalls sehr anstrengen, um die Verschuldung in fünf bis zehn Jahren wieder unter die 60-Prozent-Marke zu bringen.

Verhältnismäßig wenig Sorgen bereitet Felderer die Inflation. "Die europäische Zentralbank hat die Möglichkeit, innerhalb weniger Monate die Geldmenge zu reduzieren." Dadurch werde die Inflationsrate in der Eurozone nicht länger als ein bis zwei Jahre über der Ziellinie von zwei Prozent liegen, "vielleicht bei drei oder vier Prozent", wie Felderer sagte.

In den USA sei die Situation anders; wegen der engen Bande zwischen der Notenbank Fed und der Regierung werde die Inflation dort höchstwahrscheinlich höher ausfallen und länger dauern. (stro, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.6.2009)