Frage in der Galerie Stock: Woran erinnern diese grotesken Figuren?

Foto: Galerie
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Wie der Elefant im Porzellanladen. Das Sprichwort liegt nahe, passt aber nicht. Stelzen aus klobigen, brutal abgetrennten Elefantenfüßen? Oder aus Gebissen? Warum? Dazu dieser irre Blick des Affens mit den gruseligen Siebenmeilen-Stiefeln. Willkommen in Michael Nitsches kleiner Horrorshow!

In der Galerie Michaela Stock hat der in Braunschweig lebende Künstler (Jahrgang 1961) ein kurioses Kabinett mit seinen hybriden Wesen gefüllt, einen Tummelplatz untoter Kuscheltiere, die mit Altkleidern, Kunstpelzen, Schädeln, Geweihen und allerlei anderen Fundstücken eine neue, geradezu selbstverständliche Daseinsebene eingehen.

Zu Schwellenwesen macht die Plastiken nicht zuletzt die dicke Schicht Paraffin mit denen Nitsche sie übergossen hat: Auf den ersten Blick scheint es flüssig, gibt den Anschein, als seien die kindlich-tierischen Kreaturen noch mit dem Schleim ihres In-die-Welt-Tretens überzogen; auf den zweiten Blick wirken sie hinter der kalten Kruste jeglichem Zugriff entzogen und in die Ferne gerückt. Auf einem kleinen Sockel ein gruseliger Klumpen mit Augen und schiefen Zähnen, im Henkerskorb? Daneben ein Rentier-Lämmchen mit seltsamen Reiter?

Woran erinnern diese grotesken Figuren, die Schrecken und Lust vereinen? An Hieronymus Bosch, an Breughel? Mag sein. Im Jetzt entzieht sich Michael Nitsches Werk vergleichenden Kontexten; besteht wie in der großen Tilburger Skulpturenschau im öffentlichen Raum 2008 neben Größen wie Matthew Barney, Paul McCarthy oder Erwin Wurm.

Auf kleinen, grellbunten Zeichnungen begegnet dem Betrachter immer wieder der Affe im blutig-brutalen Schuhwerk, das sich seltsamerweise moralischen, wertenden Blicken entzieht. Unrecht? Das scheint es im Kosmos Michael Nitsches nicht zu geben. Die grellgemusterten Dickhäuter kopulieren hemmungslos, Rüssel mutieren zu Lustwerkzeugen, und andere exotische Gnome fummeln ungeniert im Schritt. Aber keine Spur von Vulgarität in diesen trotz aller Abartigkeit sympathischen, geradezu kindlich-naiven Exoten.

"No Sleep 'til Ragnarök" nennt sich die Soloshow: Ein nordisches Weltengericht? Nein, wohl eher eine Odyssee in die nordische Sagenwelt, in der man sich gerne verheddernd verirrt. (kafe/ DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.6.2009)