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Foto: APA/Lichtenhofer

Den Haag - "Die Globalisierung ist für den Polizeibereich eine Herausforderung." Das sagte der neue Europol-Direktor Rob Wainwright dieser Tage bei einem APA-Gespräch bei Europol in der Zentrale der Behörde in Den Haag. Dass sich mit dem Ersatz der Europol-Konvention durch die Ratsentscheidung (des Ministerrates, Anm.) auch für Europol einiges ändert, kam ebenso zur Sprache wie die Freude am neuen Job und Sicherheitsfragen bei der Behörde.

APA: Warum haben Sie sich um den Posten des Europol-Direktors beworben, was ist so toll an dem Job?

Wainwright:  Für mich ist das die Realisierung eines Traumes. Ich habe im internationalen Bereich seit zehn Jahren gearbeitet. Fast die gesamte Zeit über habe ich mit Europol zu tun gehabt. Ich habe gesehen, wie sich das Geschäft der Organisierten Kriminalität verändert. Wir benötigen verstärkt globale Lösungen, um das Problem anzugehen. Deshalb spielen Institutionen wie Europol so eine wichtige Rolle in diesem Kampf.

APA: Mit dem Ersatz der Europol-Konvention durch die Ratsentscheidung wird das Mandat im Jahr 2010 erweitert werden, von Organisierter Kriminalität zu schwerer internationaler Kriminalität. Was sind in diesem Zusammenhang Ihre Pläne für die Zukunft?

Wainwright:  Abgesehen von wichtigen internen Änderungen: Wir haben durch die neue Rechtsgrundlage neue Mittel im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität. Wir können mit einer größeren Anzahl an Partnern zusammenarbeiten, erstmals auch aus dem privaten Sektor. Wichtig ist, dass wir die Möglichkeit haben, weitere personenbezogenen Daten zu sammeln, unter der Voraussetzung der hohen Standards im Datenschutz und bei der operativen Sicherheit. Wir haben bereits eine Menge an Informationen über kriminelle Aktivitäten in Europa. Wir haben mehr als hundert der besten Analysten in Europa. Wir haben Software-Tools auf dem neuesten Stand, um diese Informationen auszuwerten.

APA: Glauben Sie, dass durch das neue Mandat auch der Arbeitsaufwand größer wird?

Wainwright:  Die Arbeit wird immer mehr, das spiegelt die Herausforderungen der Globalisierung wider. Kriminelle Aktivitäten sind eine Funktion der globalen Wirtschaft. Deren Möglichkeiten eröffnen sich auch Kriminellen: Einfachere Kommunikation, einfachere Reisemöglichkeiten, die Chance, in neue Geschäftsfelder und Märkte einzudringen und sich sehr schnell über Grenzen hinweg zu bewegen.

Dementsprechend hat sich die Organisierte Kriminalität angepasst: Vor 20 Jahren hatten wir im Drogenmarkt große monolithische Kartelle. Das ist vorbei. Es sind kleinere Gruppen, sie sind flexibler. Sie sind keine homogenen Ethnien mehr. Sie mischen kriminelle mit legalen Aktivitäten. So ist die Globalisierung auf der polizeilichen Ebene eine Herausforderung, und zwar eine globale. Deshalb braucht es globale Organisationen wie Europol, die verschiedenen Interessen der Länder zu vereinen.

APA: Welche Kompetenzen hat Europol, welche Schwächen? Hätten Sie gerne mehr Befugnisse?

Wainwright:  Nein, will ich nicht. Europol hat schon ein sehr modernes Mandat. Die Tatsache, dass wir hier unter einem Dach Beamte von jeder größeren Strafverfolgungsbehörde in Europa haben, dass wir ein operatives Netzwerk unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen haben, ermöglicht es uns, länderübergreifende sehr anspruchsvolle Aktionen durchzuführen. Schwächen gibt es immer. Traditionellerweise ist Polizeiarbeit etwas Lokales, es gibt sogar oft Schwierigkeiten, sie innerhalb eines Nationalstaates zusammenzuführen. Es ist daher eine Herausforderung, eine gemeinsame Methodik und Herangehensweise in der modernen Polizeiarbeit zu entwickeln. Wobei ich mich nicht über die Vielfalt bei Europol beklage, das kann auch eine Stärke sein.

APA: Wie gut ist Europol vor Infiltration durch Personen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität geschützt? Was tun Sie für den Datenschutz?

Wainwright:  Nach meiner Erfahrung zählen die Sicherheitsstandards und der Datenschutz bei Europol zum Besten in der EU. Das Datenschutz-Regelwerk wurde von den Architekten von Europol sehr sorgfältig konstruiert. Durch das neue Mandat wird es weiter verstärkt, durch die Einrichtung des unabhängigen Datenschutzbeauftragten zum Beispiel. Besonders gesichert wird es noch einmal durch die unabhängigen Kräfte des Joint Supervisory Body (die gemeinsame Kontrollinstanz von Europol, Anm.). Infiltration ist ein Risiko, das jede Polizeibehörde betrifft. Aber genauso wie wir wir ein strenges Reglement beim Datenschutz haben, haben wir das auch bei Sicherheitsfragen. Aber ich würde nie sagen, dass wir unverwundbar sind.APA: Denken die Politiker, die Europol unterstützen sollten, überhaupt europäisch genug? Oder stellen sie zu sehr regionale Themen in den Vordergrund?

Wainwright:  Es wird immer der Fall sein, dass der Fokus auf dem lokalen Aspekt liegt. Organisierte Kriminalität ist ein globales Problem, aber es betrifft uns auf der lokalen Ebene. Deshalb muss auch die Polizeiarbeit auf der lokalen Ebene stattfinden. Meine Arbeit ist es, den Beamten die Mittel in die Hand zu geben, damit sie ihren Job besser machen können. Die Herausforderung ist, diese unsere Arbeit bekanntzumachen, damit die Leute sehen, dass wir ihrer lokalen Polizei helfen. Wir haben alle diese Verantwortung, ich als Direktor und auch die Minister.

APA: Machen die Politiker das auch, wenn sie gerade andere Interessen haben?

Wainwright:  Das liegt in der Verantwortung der Minister, dies zu beurteilen. Aber was ich hier sage: Organisierte Kriminalität und Terrorismus haben ähnliche Charakteristiken. Sie tragen ein ähnliches Bedrohungspotenzial für die innere Sicherheit in sich. Es gibt ein paar Verbindungen auf operativer Ebene, wir beobachten das. Auf der politischen Ebene müssen wir in der selben Weise über Organisierte Kriminalität sprechen wie über Terrorismus, über den wir bereits eine breite und lebendige Diskussion führen.

APA: Sieht man sich die Täterseite bei der Organisierten Kriminalität an: Ist das ein Problem, das vor allem bestimmte Regionen Europas betrifft?

Wainwright:  Es gibt bestimmte regionale Besonderheiten. Wie ich schon gesagt habe: Es ist schwierig, ein Bild zu zeichnen, wonach eine ethnische Gruppierung für ein bestimmtes Problem in einer bestimmten Region Europas verantwortlich ist. Aber ja, wir haben ein Problem mit russischer Organisierter Kriminalität. Ich sollte aber nicht die russische Organisierte Kriminalität zu sehr hervorheben, wir haben genug andere Formen davon. Auch die britische Organisierte Kriminalität ist sehr aktiv, nicht nur im Vereinten Königreich.

Man kann auch den Routen folgen: Kokain kommt noch immer aus Lateinamerika, ist also eine Herausforderung für Spanien, Portugal und die Niederlande. Heroin ist eine Herausforderung für Mittel- und Osteuropa, weil es von der anderen Seite der Welt kommt. Jetzt haben wir ein Problem mit illegalen Immigranten, geschleppt von Kriminellen zum Beispiel von Afrika durch das Mittelmeer. Diese unglücklichen Menschen sind die Opfer, weil sie ausgebeutet werden. Aber sie bringen enorme Probleme für Malta, Italien oder Spanien.

APA: Wie sehen Sie die Entwicklung im Terrorismus, was sind die größten Bedrohungen? Wo gibt es etwa Verbindungen zu illegaler Migration?

Wainwright:  Die Entwicklung bestimmter Migrationsströme eröffnet Geschäftsmöglichkeiten. Was terroristische Gruppierungen betrifft, bekommen sie natürlich Gelegenheiten, ihre Mitglieder zu bewegen, sogar ihre Ausrüstung und ihre Waffenarsenale. Wir haben steigende Migrationsströme, begünstigt durch die Ausdehnung der Armut, durch die soziale Situation in Afrika und Asien, durch die Dislozierung durch regionale Konflikte und durch den steigenden Wettbewerb um die knappen natürlichen Ressourcen. Diese Ströme schaffen natürlich auch Chancen für den Terrorismus.

APA: Halten Sie die Anti-Terrormaßnahmen der EU für ausreichend oder wünschen Sie sich mehr?

Wainwright: Ich bin eigentlich beeindruckt, wie gut entwickelt sie sind. Wir haben einen Anti-Terrorismus-Koordinator, wir haben eine ziemlich ausgeklügelte Antiterror-Strategie entwickelt. Dabei haben wir einige Elemente, die ich gerne verstärkt auch für den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität ausbauen würde, zum Beispiel die Balance zwischen der traditionellen Strafverfolgung und Prävention. Ich sehe verstärkt die Notwendigkeit, entlang nicht traditioneller Wege zu arbeiten. Es sind mehr Kriminelle im Geschäft, aber weniger in monolithischen Kartellen. Also müssen wir clever sein und unter anderem auf Prävention setzen. (Das Gespräch führte Gunther Lichtenhofer/APA.)