Während bei den Nordländern in den Giardini ein Sammler reglos im Wasser treibt, winkt François Pinault - Selfmademan und Großsammler aus Frankreich - fröhlich in die Menge derer, die der Eröffnung seiner zweiten Expositur in Venedig beiwohnten. (Erstaunlicherweise tat er das nicht vom frischgetünchten Jubelbalkon der Punta della Dogana - dem ehemaligen Zolllager Venedigs - aus, sondern für Lagunenverhältnisse relativ bodenständig.) Nach dem Palazzo Grassi ist es Pinault gelungen, auch die Punta seinen Vorstellungen von Potenz in der Gegenwart anzugleichen. Wie schon im Palazzo Grassi hat Tadao Ando für die Architektur und - viel intensiver noch als dort - für gepflegte Upper-East-Side-Werbeargenturstimmung gesorgt. Nicht ein Staubkorn kündet noch vom alten Zolllager, alle Spuren der Vergangenheit eines der prominentesten Plätze Venedigs sind getilgt. Und gereinigt: frisch lasiert das Gebälk, neu verlegt der Steinboden, sauber verfugt das betagte Gemäuer.

Und mitten hinein gebaut findet sich ein Sichtbetonkobel, dem auch nur das Prädikat "makellos" zusteht. Ein Ausstellungsraum ist das nicht - weit eher Aufbahrungshalle für alles, was einen standesgemäß mehr denn sechsstelligen Preis hat. Und so finden sich dort auch Maurizio Cattelans in weiße Tücher gehüllte Leichen, die im Kunsthaus Bregenz vor wenigen Monaten noch etwas Erhabenes hatten, in unseliger Kombination mit Hiroshi Sugimotos Studien zum Abwesen des Körpers im Designerkleid. So findet sich dort eine ebenso monumentale wie schlechte Installation Sigmar Polkes.

Und, um bei "teuer" zu bleiben: Takashi Murakamis in Acryl und Plastik formulierter Brachialhumor betreffs des ewig Geschlechtlichen ist ebenso ausgestellt, wie ein ganzer Raum den Historienpanoramen der Chapman-Brüder gewidmet ist. Jeff Koons herzt zärtlich seine Cicciolina in Marmor, Cindy Sherman zitiert sich selbst, und Cy Twombly steuert ein paar Buntstiftnotizen bei. Ganz nebenbei geht bei Paul McCarthy die Rudelbumspost "an Champagner" ab, und Peter Fischli & Davis Weiss zeigen, was ein ordentliches Inserat im 4c-Medium ausmacht. Rudolf Stingel hat zur Dekoration noch monumentale Leinwände als Hommage an den gemeinen Maschendrahtzaun beigetragen. Und Maurizio Cattelan hat an die Weltpresse gedacht und also ein Pferd in die Wand gesteckt. François Pinault versammelt Bilder zum Wiedererkennen in einem Museum, dass längst vor seiner Eröffnung ein historisches war.

Er zeigt Investorenkunst vom Teuersten. Und macht das in Räumen, die für nichts anderes geeignet sind. Tadao Ando hat für 22 Millionen Euro - wozu noch die (unbekannten) Kosten zur Sanierung des Grundstücks kommen - eine Hülle gebaut, die Pinaults Trophäen bestens zur Geltung bringen. Er hat François Pinault mit einer Yacht ausgestattet, wie sie kein anderer Schiffseigner an den Canal Grande fahren konnte: einem festverzurrten Jammer, der das beliebte Spiel - "Wer hat den längsten?" - ein für alle Mal gewonnen hat.

Mangels Konkurrenz und angesichts angesagter Krise wird wohl keine Werft mit einem noch größeren Wurf kontern. Und François Pinaults Punta della Dogana übrigbleiben als das Beispiel einer Idee von "Sammlung", die weit im Jenseits dessen gründet, was ein Werkbegriff, was ästhetische Absicht fassen könnte. (Markus Mittringer, DER STANDARD/Printausgabe, 10.06.2009)