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Foto: AP/Camus

Daniel Cohn-Bendit ist eine Nervensäge. Seine Parteifreunde bei den Grünen in Frankreich und Deutschland sagen es, seine politischen Gegner natürlich, er selbst sieht sich jetzt gerade als Megafon: "Ich bin der Lautsprecher dieser Sammlungsbewegung gewesen" , sagte der 64-Jährige kein bisschen bescheiden am Abend nach der Europawahl, als die von ihm geführte grüne Liste Europe Écologie 16,28 Prozent der Stimmen in Frankreich einfuhr.

Agitieren, streiten, auf den Punkt genau formulieren: Daniel Cohn-Bendit hat im Grunde nie den Hörsaal von Nanterre verlassen, wo er den "Mai '68" anzettelte und zur Ikone der europäischen Studentenbewegung wurde. "Dany le Rouge" , wie er genannt wurde - seiner Haarfarbe und der politischen Gesinnung wegen -, provoziert mit deutscher Schlaumeierei die Franzosen und mit französischer Theatralik die Deutschen und liegt mit seinen politischen Einschätzungen doch nur selten daneben.

Im letzten Kriegsmonat, im April 1945, im südwestfranzösischen Städtchen Montauban geboren, verbrachte Daniel Cohn-Bendit den größten Teil seiner Kindheit in der Normandie und in Paris. Sein Vater, ein deutscher jüdischer Anwalt aus Berlin, war mit seiner französischen Frau 1933 vor den Nazis geflüchtet. In den 50er-Jahren ließ er sich in Frankfurt am Main nieder. Dorthin zieht auch Daniel Cohn-Bendit, als er im Oktober 1968 wegen seiner Rolle bei der Studentenrevolte aus Frankreich ausgewiesen wird. Sein Diplom im Fach Soziologie erhält er ohne Prüfung - Charles de Gaulle, der Staatspräsident, will ihn nur einfach loswerden.

Cohn-Bendit hat in den 40 Jahren seit dem Mai '68 eine exemplarische linke Karriere im Deutschland der Großparteien SPD und CDU hingelegt: vom jungen Rebellen gegen die Staatsautorität zum überzeugten Europäer, der begeistern will. Joschka Fischer, der grüne Ex-Außenminister und frühere WG-Partner Cohn-Bendits in der Frankfurter Spontiszene Anfang der 70er-Jahre, soll sich einiges von dem Studentenführer abgeschaut haben.

Cohn-Bendit, der Realo-Grüne, der den Kosovokrieg und die EU-Verfassung unterstützte, übernahm erst spät politische Ämter und Mandate: 1989 wurde er Dezernent für multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt, 1994 zog er ins Europaparlament ein - zuerst für die deutschen Grünen, dann 1999 als Chef der französischen Verts. Schon damals gelang ihm ein Überraschungssieg. Cohn-Bendit heiratete 1997 seine Freundin Ingrid Apel, mit der er einen Sohn hat. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 9.6.2009)