Im Vergleich zu seinem Parteifreund Gordon Brown steht Werner Faymann nach diesem Wahlsonntag gar nicht so schlecht da. Das kommt von der noblen Zurückhaltung. Während der Brite Pressekonferenzen gab, sich unter das Volk mischte und nach seinem Rücktritt lechzende Genossen mit dem Hinweis auf seine Unentbehrlichkeit noch in die Schranken wies, entzog sich der Liesinger derartigen Ansprüchen fürs Erste durch Entmaterialisierung, unter gleichzeitiger Hinterlassung der schlanken Botschaft, der Verlust von einem Drittel der Stimmen wäre für seine Parte unerfreulich. Offensichtlich sei es der Partei nicht gelungen, die Bedeutung der Wahl den Wählern ausreichend zu vermitteln.

Für diese tiefe Einsicht bedachte ihn die "Krone"-light-Version "Heute" mit dem Ehrentitel Nachdenklicher Kanzler, eine Unterstellung, die sich Brown erst verdienen muss. Diese Nachdenklichkeit war aber möglicherweise nur der kurzen Ungewissheit geschuldet, wiewohl Onkel Hans über sein weiteres Schicksal zu entscheiden gedächte. Der konnte unter dem Eindruck der Ereignisse seinen Senf nicht zurückhalten, galt es doch, die Kampagne für einen Querulanten nicht auch noch als Neffenweglegung total erscheinen zu lassen.

Den Erfolg der ÖVP-Mehrheit musste die SPÖ bezahlen - was ein ziemlicher Unsinn ist, aber er sollte auch nur zum Kern von Hans Dichands Anliegen hinführen -, obgleich gerade die Sozialdemokraten mit Faymann an der Spitze fast einen Umsturz in der eigenen Partei bewirkt hatten. Immerhin hat Faymann - sozusagen über Nacht - einiges gegen seine Partei unternommen, als er sich für die Notwendigkeit einer Volksabstimmung aussprach.

Für die Umnachtung, einiges gegen seine Partei unternommen zu haben, und nebenbei auch einiges gegen den gesunden Menschenverstand, in der Hoffnung, Onkel Hans werde ihm diesen Zukreuzzug und die vielen schönen Inserate lohnen, musste die SPÖ bezahlen. Mit dem Erfolg der ÖVP-Mehrheit kann das schon deshalb nichts zu tun haben, weil ihn der Onkel selbst nicht versteht: Trotz der Unbegreiflichkeiten, die im Gefolge dieser EU-Wahl aufgetreten sind, hat sich eine Mehrheit für die ÖVP ergeben. Wieso trotz? Doch eher wegen der Unbegreiflichkeit des Unterwerfungsbriefes, mit dem die Sozialdemokraten mit Faymann an der Spitze fast einen Umsturz in der eigenen Partei bewirkt hatten, hat sich eine Mehrheit für die ÖVP ergeben. Und die drei Prozentpunkte minus der ÖVP gehen auch nicht aufs Konto des roten Beinahe-Umsturzes.

Aber irgendwie musste er erklären, wie Hans-Peter Martin zur eigentlichen Sensation dieses Wahlganges werden konnte, ohne die Sozialdemokraten mit Faymann an der Spitze der Befürchtung zu überlassen, wer gutgläubig bei Onkel Hans eintritt, lasse alle Hoffnung fahren.

Der konnte sich gegen die eigentliche Sensation dieses Wahlganges nicht wehren, die kam einfach über ihn: HPM bewies Mut und Energie, als die Öffnung der Grenzen und als Folge einer noch nie dagewesenen Welle des Verbrechens über unser Land kam.

Dass der Surfer auf der Welle des Verbrechens die "Krone" als Surfbrett benutzen durfte, als die Öffnung der Grenzen über unser Land kam - das führte zur Sensation bei dieser Wahl! Da musste er Mut und Energie nicht erst an den offenen Grenzen beweisen, er musste nur die vom Onkel erlassene Blattlinie zur EU beachten.

Om Chefredakteur der "Wiener Zeitung" riefen die Unbegreiflichkeiten, die im Gefolge dieser EU-Wahl aufgetreten sind, gleichzeitig rückwärtsgewandte und endzeitliche Visionen hervor. Das war der finale Triumph des Hans Dichand, notierte Andreas Unterberger in sein Tagebuch. Er übt in diesem Land Macht aus wie ein römischer Imperator durch Heben oder Senken des Daumens; er ist als Einziger imstande, einer satten zweistelligen Prozent- zahl von Wählern die Richtung vorzugeben, einmal diese, einmal jene.

In solchem Cäsarenwahn mag sich Däumling gerne wiegen, aber manche können den schwarz-blauen Daumen täglich heben oder senken - und kein Schwein schaut hin. Montag senkte er ihn nicht nur für den politischen Geisterfahrer Hans-Peter Martin, der in Europa außer Hass und Stänkereien absolut nichts zu bewegen vermag, sondern auch gleich für die SPÖ, die er grauenhafter Vergehen beschuldigte: Sie plakatiert Werbung für gleichgeschlechtliche Liebe, sie ist die lauteste Vorkämpferin für feministische Orchideenthemen, abgesehen davon, dass sie sich vor jedes grüne Thema wie Klimahysterie oder den Asylanten-Lobbyismus spannen lässt. Endlich wird alles begreiflich. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 9.6.2009)