Wien - Weniger wäre mehr gewesen: Krzysztof Warlikowskis Tragödienhybrid (A)pollonia - eine Koproduktion zwischen dem von ihm neu gegründeten Nowy Teatr in Warschau und den Wiener Festwochen - beanspruchte einen Komplettumbau der Halle E (die Bühne wurde breitseitig errichtet) - und auch einiges an Zeit. Bis nach Mitternacht - da hatte sich die Hälfte des Publikums bereits verabschiedet - hantierte der polnische Regisseur, einer der wichtigsten der jüngeren Generation, am Begriff des "Opfers".

Nach allen Regeln des Poptheaters verwob er Episoden griechischer Tragödien mit der polnischen Zeitgeschichte. Und er türmte dabei so viele Ideen und Textebenen auf, dass es das Theater erdrückt. Der Titel (A)pollonia ist eine Wortmixtur aus drei Namen: Apollo, Polonia (also Polen) und Apolonia Machczynska - Letztere eine Frau, die auf ihrem Anwesen in der polnischen Provinz 25 jüdische Kinder vor Nazi-Schergen versteckt hielt und dafür hingerichtet wurde.

Sie ist die eigentliche Hauptfigur, über die sich die Botschaft des Mitfühlens im weniger aufgeputzten und aufrichtigeren zweiten Teil des Abends mitteilt.

Von Anfang an im Spiel sind die mythologischen Opferfiguren schen Iphigenie und Alkestis: Erstere muss für das Kriegsglück ihres Vaters Agamemnon dran glauben, Zweitere geht für ihren Gatten freiwillig in den Tod. Ihre Schicksale bespiegeln einander.

Bade- und Wohnzimmer, beide durch Plexiglas einsehbar, werden auf der Bühne herumgeschoben. Eine mobile Nasszelle kommt bei so viel Blutvergießen immer recht! Mittig rüstet eine Band auf und tritt immer dann an die Mikros, wenn die Episoden ins Herzzerreißende kippen. Die Drastik des Geschehens lässt sich nicht nur an der Musik (es singt Renate Jett) ablesen, sondern auch an den projizierten Nahaufnahmen der Gesichter. Handwerkszeug, das inflationär zum Einsatz kommt.

Lebensgroße Kinderpuppen sitzen am Küchentisch, wo Klytaimnestra die Tochter entrissen wird. Orestes schlitzt seiner Mutter mit dem roten Lippenstift die Halsschlagader auf und zieht sich langsam die Mädchenperücke vom Haupt. Und nachdem die österreichische Bundeshymne abgespielt wurde, hält Agamemnon seine Rechtfertigungsrede im blutroten Glühbirnenlicht.

Der Abend ist voller Ideen. Das ist gut. Doch sie belasten einander, konkurrieren miteinander und buhlen unverschämt ums Publikum. So, dass man sie nur noch durchwinken kann. Für den Rest an Irritation sorgte der Dauersoundtrack - mit allzu viel Gefühl. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD/Printausgabe, 09.06.2009)