Wien/Linz/Salzburg - Die Grünen schreiten einen Tag nach dem enttäuschenden Abschneiden bei der EU-Wahl zur Aufarbeitung. Dabei werden inhaltliche und strategische Gründe in den Vordergrund gestellt, eine Personaldiskussion, wie sie der bisherige EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber im STANDARD-Interview angeregt hatte, möchte man hingegen vermeiden.

"Unnötigste Niederlage seit zehn Jahren"

Der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz empfiehlt seiner Partei nach der verlorenen Europawahl in erster Linie Ursachenforschung bei sich selbst. Er spricht von der "unnötigsten Wahlniederlage der letzten zehn Jahre". Dabei hätten aus seiner Sicht sowohl die Themenlage als auch die politische Lage in Europa und in Österreich für die Grünen gesprochen, verwies er auf grüne Erfolge in anderen EU-Staaten. "Nach sechs verlorenen Wahlen ist es Zeit, die Probleme und damit die Lösungen endlich auch bei uns zu suchen", schreibt Pilz in seinem Internet-Blog.

Die Erklärung, dass die innenpolitischen Themen die Europawahl überlagert und den Grünen geschadet hätten, lässt Pilz jedenfalls nicht gelten: Von den Folgen der Finanzspekulation bis zu Kriminalität und Sicherheit geht es um Europa." Kein Fehler waren aus seiner Sicht auch die harten Attacken auf die FPÖ und ihren dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf: "Das zweite Mandat haben wir wahrscheinlich Martin Graf zu veranken." Hier sei der Einsatz der Grünen "offensichtlich honoriert worden".

Vor weiteren Stellungnahmen wolle er mit verschiedensten Leuten reden und "gescheite Antworten finden", sagte Pilz gegenüber der APA. Keine Stellungnahme wollte der Abgeordnete zu den Auswirkungen der Causa Voggenhuber auf den Wahlausgang abgeben. Pilz hatte Voggenhuber in dessen Kampf um eine Kandidatur für die Europawahl unterstützt und in Zeiten der Wirtschaftskrise eine schärfere soziale Positionierung der Partei gefordert.

Schlechter Umgang mit Voggenhuber

Deutlich kritische Worte zur Causa Voggenhuber fanden hingegen Salzburgs Grüne. Sie zeigen sich nach dem schlechten Abschneiden der Grünen bei der Europawahl verärgert: Hätte man dem nicht mehr an die Listen-Spitze gewählten Europa-Abgeordneten Johannes Voggenhuber die Solidaritätskandidatur auf dem letzten Listenplatz ermöglicht, hätte er ähnlich wie Othmar Karas für die ÖVP zusätzliche Wähler für die eigene Partei mobilisieren können. "Ich halte es nach wie vor für schade", sagte der Salzburger Landessprecher Cyriak Schwaighofer zur APA.

"Wir haben gesagt, man sollte ihn das unbedingt machen lassen. Aber es gab dafür keine Mehrheit, das haben wir dann gezwungenermaßen zur Kenntnis genommen", so Schwaighofer. "Wie sagen dann unseren Oberen immer so schön: Die Gremien haben anders entschieden."

Sicher sei das schwache Abschneiden der Grünen nicht nur auf dieses Ereignis zurückzuführen, aber es habe es verstärkt. Und freilich sei auch klar, dass Voggenhuber immer ein schwieriger Mensch gewesen sei. Dass er dann nicht einmal eine Wahlempfehlung für die Grünen abgegeben habe, "ist auch eine Enttäuschung".

Unmut hatte schon gestern der Kärntner Landessprecher Rolf Holub geäußert. Die Diskussion um Johannes Voggenhuber sei "sicher verzichtbar" gewesen, er hätte lieber das beste Team gehabt. "Aber wenn Eitelkeiten Vorrang haben, kann man nichts machen." Ein Mandat zu verlieren wäre eine klare Niederlage gewesen, mit dem zweiten Mandat über die Wahlkarten sei man "mit einem blauen Auge davongekommen".

Fehlende Positionierung

In Tirol schloss man sich den Salzburger Kollegen an. Sie sähen in der Causa Voggenhuber eine Teilschuld für das schwache Abschneiden. Die Hauptschuld liege aber darin, dass es nicht gelungen sei, die Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek, als "Frau zu positionieren, die das kann, was Voggenhuber auch kann", sagte Klubchef LAbg. Georg Willi am Montag gegenüber der APA. Das liege aber nicht an der Person Lunacek, betonte er.

Lunacek sei auf europäischer Ebene sehr gut vernetzt. Die Zeit sei einfach zu kurz gewesen, meinte Willi. Vielleicht habe man auch zu wenig Energie darauf verwendet. So schmerlich die Niederlage sei, eines der Wahlziele, den Wiedereinzug von Eva Lichtenberger ins EU-Parlament, habe man zumindest erreicht.

Keine Diskussion um Glawischnig

Die oberösterreichischen Grünen fordern nach den Verlusten bei der EU-Wahl den raschen Abschluss des bereits eingeleiteten Reform-Prozesses seitens der Bundespartei. Man müsse wieder in eine inhaltliche Offensive zu gehen. Das erklärten der Landessprecher Landesrat Rudi Anschober und die stellvertretende Klubobfrau im Landtag Ulrike Schwarz in einer Pressekonferenz am Montag in Linz. Für die Landtagswahlen im Herbst in Oberösterreich sehen sie eine "andere Ausgangsposition" als für die EU-Wahl und damit bessere Ergebnisse.

Anschober wiederholte seine bereits am Wahlabend geäußerte Kritik an den Fehlern der Grünen, die in Wien gemacht worden seien: Johannes Voggenhuber nicht kandidieren zu lassen, habe Stimmen gekostet. Entschieden habe ein Bundeskongress, dieser sei sich der Tragweite nicht bewusst gewesen. Ulrike Lunacek habe zum Start damit zu kämpfen gehabt, dass nicht über sie sondern über Voggenhuber diskutiert worden sei. Was Eva Glawischnig betreffe stelle er sie aber "nicht einen Millimeter" infrage.

Der eingeleitete umfassende Reform-Prozess bei den Grünen müsse spätestens bis Ende des Jahres abgeschlossen werden, verlangte Anschober von seiner Partei. Die Themen lägen ohnehin auf der Straße, beispielsweise "Grün statt Rechts" oder "neue krisensichere Arbeitsplätze durch Klimaoffensive und Energiewende". (APA)