Es kam nicht völlig unerwartet, aber im konkreten Ergebnis fiel es massiv aus: Ungarn erlebte bei der Europawahl einen rechten Erdrutsch wie noch nie seit der demokratischen Wende vor 20 Jahren. Der rechts-populistische Bund Junger Demokraten (Fidesz) des Ex-Premierministers Viktor Orbán fuhr mit 56,4 Prozent der Stimmen und 14 Mandaten einen deutlichen Sieg ein. Die - noch und allein in Minderheit - regierenden Sozialisten (MSZP) wurden brutal abgewatscht: mit 17,4 Prozent der Stimmen und nur vier Mandaten verloren sie nicht nur mehr als die Hälfte ihrer bisher neun Sitze im EU-Parlament, sondern mussten ihr schlimmstes Debakel bei einer landesweiten Wahl seit 1990 hinnehmen, als sie noch als Ex-Kommunisten in die politische Quarantäne der neuen Demokratie geschickt worden waren.

Den wahren Durchbruch feierte allerdings die offen rechts-extreme Partei Jobbik (Die Besseren). Sie kam aus dem Stand auf 14,8 Prozent der Stimmen und damit drei Mandate. Die Strategie des Parteichefs Gábor Vona, den Hass auf die Roma zu schüren, ging in einer von Wirtschaftskrise und Abstiegsängsten verunsicherten Bevölkerung auf. Die Aufmärsche der von ihm gegründeten, paramilitärischen, faschistoiden Ungarischen Garde verstärkten noch die Illusion, daß sich die „Probleme" mit ebenso simplen wie drastischen Methoden lösen ließen.

Das moderat-konservative Ungarische Demokratische Forum (MDF) konnte mit 5,3 Prozent sein bisheriges einziges EP-Mandat halten. Für diese Partei geht der ehemalige Finanzminister, Radikalreformer und Wirtschaftssanierer Lajos Bokros nach Straßburg. Großer Verlierer ist neben den Sozialisten deren ehemaliger Koalitionspartner, der liberale Bund Freier Demokraten (SZDSZ). Mit 2,2 Prozent blieben diese Partei weit unter der Fünfprozentmarke und verliert damit ihre bisherigen zwei EP-Sitze.

Bei einer Wahlbeteiligung von nur 36.3 Prozent (2004: 38,5 Prozent) wären eigentlich Schlussfolgerungen auf die Landespolitik vermessen. Doch in Ungarn lebt die Minderheitsregierung des Technokraten Gordon Bajnai von der Außenunterstützung durch die nun tief erschütterten Liberalen. Deren Chef Gábor Fodor könnte bald seinen Rücktritt ankündigen.

Aber auch bei den Sozialisten selbst sind nach dem Debakel Panikreaktionen nicht ausgeschlossen. Orbán brachte bereits in der Wahlnacht seinen Machtanspruch zum Ausdruck: „Eine noch nie gesehene Mehrheit", rief er seinen Anhängern zu, „hat gezeigt, dass Ungarn den Wechsel will." Aber auch Jobbik-Chef Gábor Vona ließ keinen Zweifel offen, dass seine Extremistenpartei auf den Sturz der Bajnai-Regierung hinarbeiten will. „Die Jobbik ist bereit, für vorgezogene Wahlen auf die Straße zu gehen", schärfte er seinen Fans ein. „Wir sind immer dort, wo unser Platz ist." Das klang wie eine Drohung - und erinnerte an den heißen Herbst 2006, als der rechtsextreme Mob schon einmal die Regierung, damals unter Ferenc Gyurcsány, von der Straße aus zu stürzen trachtete.
In Ungarn erreichte die oppositionelle rechtskonservative Fidesz mit 56,4 Prozent der Stimmen 14 der 22 ungarischen Sitze im EU-Parlament. Die regierenden Sozialisten konnten sich lediglich vier Plätze sichern.  (Gregor Mayer aus Budapes, DER STANDARD, Printausgabe, 8.6.2009)

Der Vorsitzende der rechtskonservativen Fidesz, Viktor Orbán, war schon in Siegerlaune, als er am Sonntag seine Stimme abgab. Die Fidesz bekommt 14 von 22 Mandaten im EU-Parlament. Foto: AP/Beliczay