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"Man soll die EURO so sehen, wie sie war: wunderbares Turnier, tolle Organisation,guter Fußball."
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Standard: Sie haben ungefähr 360- mal über die EURO geschlafen. Was ist hängengeblieben?

Hickersberger: Es gibt bleibende Eindrücke. Die Vorbereitung war optimal, die Mannschaft hat fantastisch mitgearbeitet.

Standard: Verklären Sie da nicht die Vergangenheit?

Hickersberger: Ich bin wirklich der Letzte, der das tut.

Standard: Sie haben vermutlich die Geschehnisse analysiert. Sind Sie dabei auf Fehler draufgekommen?

Hickersberger: Leider haben gar nicht so wenige in unserem Land erwartet, dass Österreich Europameister wird. Es gibt eben zu viele Träumer, denen eine realistische Einschätzung unseres Fußballs völlig fehlt. Dazu zähle ich sicher nicht. Natürlich blieb eine Enttäuschung nach dem Aus in der Vorrunde zurück. Aber es war den Beteiligten immer klar: Wollen wir unter die besten acht kommen, muss alles passen. Dann darf man im Eröffnungsspiel gegen Kroatien nach vier Minuten keinen Elfer kriegen. Dann darf man gegen Polen nicht dreimal allein aufs Tor rennen und nicht treffen. Läuft es so, ist das Scheitern logisch. Es hatte nichts mit fehlendem Glück zu tun. Es ist eine Frage der Cleverness, der Kaltblütigkeit, der Klasse.

Standard: Haben Sie die falschen Spieler einberufen?

Hickersberger: Nein. Bei Marc Janko frage ich mich jetzt auch, was gewesen wäre, hätte er früher 39 Tore geschossen. Pech. Ich fühlte mich von den Spielern nicht im Stich gelassen. Weil ich nicht vergessen habe, dass wir in der Vor-bereitung gegen Deutschland und die Niederlande jeweils nach einer Stunde eingebrochen sind. Bei der EURO war das dann nicht mehr der Fall, wir konnten das hohe Tempo mitgehen. Die Hausaufgaben wurden also gemacht.

Standard: Stimmen Sie der These zu, dass die Auswirkungen auf den heimischen Kick eher gering waren?

Hickersberger: Es hat vor der EURO Diskussionen gegeben, ob man die Veranstaltung nicht zurückgeben sollte, weil die Nationalmannschaft nicht konkurrenzfähig ist. Das war kontraproduktiv und dumm. Man soll die EURO so sehen, wie sie war: wunderbares Turnier, tolle Organisation, guter Fußball. Wir durften nicht zu viel erwarten. Es ging immer darum, die Stadien zurückzubauen. Man hat nicht einmal fürs Finale ein neues errichtet. Das Wiener Stadion, eine vorsintflutliche Arena, wurde ein bisserl aufgemotzt.

Standard: Viele der beteiligten Spieler hatten danach Probleme, sich durchzusetzen. Kienast fand keinen Klub, Macho, Ivanschitz und Harnik wurden Reservisten, Pogatetz ist in England abgestiegen. Auch Prödl bekam bei Werder Bremen eher schlechte Kritiken.

Hickersberger: Das war absehbar, hat mit der EURO überhaupt nichts zu tun. Die Ausnahmespieler fehlen in dieser Generation. Ein Zustand hat sich lediglich fortgesetzt.

Standard: Ist das Team danach sogar schwächer geworden?

Hickersberger: Das möchte ich nicht beurteilen. Gegen Frankreich hatte man Glück, wurde gegen ein weit besseres Team dank Standardsituationen 3:1 gewonnen. Auf Dauer kann man nur durch stärkere Leistungen die Kluft zur Spitze verringern. Mit Glück gewinnst du ab und zu ein Match, es bringt dich aber nicht wirklich weiter.

Standard: War Ihr Wechsel in die Vereinigten Arabischen Emirate auch eine Form der Verarbeitung, eine Flucht?

Hickersberger: Nein, das war nur eine logische Folge. Ich wollte täglich mit Spielern arbeiten, das macht Spaß, das liebe ich. Jeden Tag ins Büro zu fahren, an Sitzungen teilzunehmen, ist nicht das Wahre. Es fehlte auch die Perspektive nach der WM-Auslosung. Alle, die sich auskennen, wussten, dass es kaum eine Möglichkeit gibt, sich für Südafrika zu qualifizieren. Mein einziger Fehler war, dass ich am Tag nach dem 0:1 gegen Deutschland gesagt habe, dass ich weitermache. Meine Frau hat mich mit den Worten ‚Spinnst du?‘ rasch auf den Boden der Realität zurückgeholt. Dafür danke ich ihr. (Christian Hackl, DER STANDARD Printausgabe, 6.6.2009)