"Mir hat eigentlich von keiner der Partei-Listen und von keinem der Repräsentanten gefallen, wie sie die Europa-Frage präsentiert haben."

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Standard: Sie haben schon viele Wahlkämpfe erlebt - wie resümieren Sie den EU-Wahlkampf 2009?

Busek: In Wahrheit ist offensichtlich allen handelnden Personen nicht klar, worum es beim Europa-Parlament geht, denn es wird ein innerösterreichischer Wahlkampf geführt. Das liegt allerdings auch daran, dass sich noch keine Europa-Parteien herausentwickelt haben. Die Grünen haben das beim letzten Mal begonnen, aber nicht konsequent weitergeführt. Es gibt keine europäischen Themen.

Standard: Was meinen Sie konkret mit „Europa-Parteien"?

Busek: Ich glaube, dass die Parteien in Europa Europa-Parteien zu bilden hätten, die für das Europa-Parlament kandidieren, damit man weiß, wer für was steht. Das ist ja gegenwärtig nicht erkennbar.

Standard: Wer hat Ihnen als „EU-Wahlkämpfer" am besten gefallen, was besonders missfallen?

Busek: Mir hat eigentlich von keiner der Partei-Listen und von keinem der Repräsentanten gefallen, wie sie die Europa-Frage präsentiert haben. Ich glaube, dass die diversen Parteihauptquartiere keine besondere Freude mit dem EU-Wahlkampf hatten und offensichtlich andere Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben.

Standard: Welche Gesichtspunkte?

Busek: Die Perspektiven für kommende Wahlkämpfe. Meines Erachtens hat etwa FPÖ-Chef Strache einen Wahlkampf in Richtung Wiener Wahl geführt. Das ist sehr deutlich herausgekommen. Oder Hans-Peter Martin und die Kronen Zeitung wollten einmal zeigen, was sie zustande bringen.

Standard: Was war für Sie der Tiefpunkt des EU-Wahlkampfs 2009?

Busek: Das ist sicher die Szene mit dem Kreuz und das „Abendland in Christenhand"-Plakat der FPÖ. Auch die Formulierung „Abrechnung" gehört dazu. Eine Wahl ist nie eine Abrechnung, sondern eine Perspektive für die Zukunft.

Standard: Im EU-Wahlkampf tummeln sich ein selbsternannter Kreuzritter, ein selbsternannter Volksanwalt, ein selbsternannter Hecht im Karpfenteich - und die Großparteien stehen irgendwie betroppezt daneben. Was läuft da falsch?

Busek: Das liegt daran, dass seit geraumer Zeit - ich muss das kritisch für meine eigene Partei und für die SPÖ sagen - kein Europa-Konzept vorliegt. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass nach dem EU-Beitritt nie ausformuliert wurde, wofür Österreich in Europa stehen will.

Standard: Sie waren 1994 als Vizekanzler maßgeblich beteiligt am klaren EU-Ja der Österreicher. 15 Jahre später scheint das verflogen.

Busek: Die Chance hätte darin bestanden, bei der Entwicklung, die durch den Fall des Eisernen Vorhangs möglich wurde, ein regionales Netz zu entwickeln. Dazu ist es nicht gekommen. Heute sind wir daran gehindert, weil eigentlich jeder Ablehnung zu den jeweiligen Nachbarn artikuliert - entweder Ängste um Arbeitsplätze oder dass das Verbrechertum hereinkommt und ähnliche Artikulationen, die alles andere als europäisch sind. Und man glaubt, damit Stimmen zu erzielen. Das ist kein neuer Nationalismus, sondern ein ganz brutaler Egoismus, der leider nicht nur in Österreich sehr deutlich wird.

Standard: Was wäre zu tun, um das Interesse an der EU-Wahl zu erhöhen? Wir sehen einen Wahlkampf, der sich von einer Nationalratswahl de facto nicht unterscheidet.

Busek: Das ist richtig. Es gibt bei jeder Wahl eine Wahlfrage, worum's geht. Und das ist eigentlich keiner Partei gelungen, weder den EU-kritischen noch denen, die gerade noch positiv dazu stehen.

Standard: Worum geht's?

Busek: Es geht darum, welche Aufgaben die Europäische Union übernehmen muss, damit wir Europäer in wichtigen Fragen überleben: Finanz- und Wirtschaftskrise, Klimafrage, unsere kulturelle Qualität, Bildung und wofür Europa steht.

Standard: Umfragen zufolge ist mit einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung zu rechnen. Was bedeutet das für die EU, wenn sie allmählich zur Demokratie ohne Wähler mutiert?

Busek: Durch die Vertragswerke, die in der EU gelten, haben die Regierungen der Mitgliedstaaten vermieden, überhaupt europäische Kompetenzen zu schaffen. Sie wollen die Dinge selber in der Hand behalten und wollen quasi hinter die Büsche gehen und immer irgendwas auspackeln, sodass die politischen Fragestellungen eigentlich gar nicht klar sind. Wenn dem Bürgern nicht klar ist, worum's geht, wozu soll er dann zur Wahl gehen?

Standard: Die Frage, wer den nächsten EU-Kommissar stellen soll, dräut schon herauf. Gibt es ein politisches Anrecht darauf oder ist es bloß ein Pfand, das sich gut gegen ein anderes tauschen lässt?

Busek: Themenstellungen die richtigen Leute aussucht und im Gespräch mit den Regierungen klärt, wer denn geeignete Kandidaten vorstellen kann. Die Frage der Parteizugehörigkeit ist sekundär. Entscheidend ist die Qualität und dass der, der es macht, auch was vom Ressort versteht.

Standard: Werden Sie am Sonntag zur EU-Wahl gehen?

Busek: Na selbstverständlich. Ich komme aus Prishtina in der Früh zurück und eile zur Urne. ( Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 6.6.2009)