Foto: Hoanzl

Gemeinhin wird über die goldene Ära des Soul in der Vergangenheit gesprochen. Datiert wird sie je nach persönlichem Geschmack zwischen den frühen 1950ern und dem Beginn der Disco-Phase Mitte der 1970er-Jahre. Unbestritten ist, dass die 1960er- und frühen 1970er-Jahre die produktivsten waren, in denen Superstars wie Otis Redding, Al Green oder Aretha Franklin weltweit die Charts stürmten und nebenbei die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung propagierten. Und doch gibt es auch heute noch Enklaven wie das Südstaatenlabel Malaco, in denen der Sound von damals nie verschwunden ist und alte Helden für eine nach wie vor existierende Fangemeinde "good ole R'n'B" produzieren.

Seit einigen Jahren wird auch in New York klassischer Soul produziert - oder zumindest veröffentlicht. Das Label Daptone, dessen Hausband nicht nur hinter Amy Winehouse' Smash-Hit Back To Black stand, sondern auch den Sound für die umwerfende Soulsängerin Sharon Jones verantwortet, veröffentlicht nun mit Naomi Shelton And Her Gospel Queens ein weiteres Ausnahmewerk.

What Have You Done, My Brother? (Daptone Rec. / Hoanzl) ist ein grandioses Gospel- und Deep-Soul-Album aus der Klasse von 1967. Auf Basis einer gut geölten Hammondorgel, die im Zentrum dieser Musik steht, richtet die aus Alabama stammende Shelton mit ihren Queens emotionsschweren Soul und Gospel an. Dessen Funkiness ist noch in den langsamsten Stücken unüberhörbar, in den leidenschaftlichen Uptempo-Songs zieht sie einen buchstäblich aus dem Sessel. Jesus Fucking Christ! Zwar wird hier mehrheitlich Gospel-Material vorgetragen, angesichts der hochinfektiösen Darreichungsform transpirieren aber selbst gestandene Atheisten kübelweise Schweiß.

Mehr noch: Errichtet mir so eine Kirche ruhig vor der Haustür! Ich konvertiere sofort! Hallelujah! (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.6.2009)